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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume
Autoren: Paola Calvetti
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umgeben, die weniger zu essen als zu degustieren scheinen – Scheiben von rohem Schinken, die sich wie Pelzstolen um Grissini legen, Kiwi-Oliven-Häppchen, Mini-Sushi, Erdbeersorbet und Veilchenschokolade. Vor einem Teller Pommes mit Ketchup in einer Imbissbude würde ich mich wohler fühlen.
    Mit all dem Weihnachtsschmuck ist der Konferenzraum kaum wiederzuerkennen. Er erinnert eher an ein Filmset der Fünfziger. An der Wand neben dem Logo von Hastings & Sons hängen vier Uhren, die es zu meiner Zeit noch nicht gab. Eine zeigt die Uhrzeit in Tokyo an, die zweite die in London, die dritte die in New York. Vor zwölf Stunden und ein paar Minuten, als man in Big Apple noch schlief, war ich noch ein gut gelaunter Mensch.
    Ich konnte Enrico keinen Korb geben, wo er doch so stolz ist auf den Erwerb dieser Luxusbaracke, die sich immer noch Hastings & Sons nennt, obwohl die Söhne das Familienjuwel an ein paar Herren aus dem Finanzsektor verscherbelt haben und es sich jetzt an einem Strand in der Karibik gutgehen lassen. Vielleicht sollte ich in die Getränkeecke gehen, von der Fensterwand dort hat man einen spektakulären Blick auf die Stadt.
    Ich suche Sarah, um mich bei ihr zu bedanken, und frage niemanden: »Bist du glücklich?«, da es mich nicht interessiert, ob diese Leute glücklich sind. Man sollte keine Antworten provozieren, die man sich dann auch noch anhören müsste, falls nicht sogar einer dieser geistreichen Menschen auf die Idee käme zurückzuschlagen: »Klar bin ich glücklich, und du?«
    Ich nehme mir eine Cola und klammere mich daran fest. Die Dose fühlt sich so heiß an, als wäre es eine Tasse Kaffee. Das muss das Unbehagen sein, mich nach einem so aufwühlenden Tag unter lauter illustren Unbekannten wiederzufinden. Ich stecke eine Hand in die Tasche und spüre den Astronauten. Er hatte unter dem Heizkörper gelegen. Die alte Pförtnerin hatte ihn gefunden und dem Makler gegeben: »Nicht wegwerfen, das ist eine Kindheitserinnerung.« Im Maklerbüro war man aufgeschreckt und hatte mich sofort angerufen. »Hören Sie, wir haben hier ein Spielzeug. Die Pförtnerin hat uns dringend gebeten, Sie zu benachrichtigen.«
    Du musst niemandem etwas beweisen, Olivia, schließlich weiß niemand, dass du einen dieser Tage hinter dir hast, über die man irgendwann mit seinen Enkeln lacht, so wie die Menschen nach der Großen Depression: »Ach ja, damals, als ich mich den ganzen Tag in einer Bar Tabacchi verbarrikadiert hatte, weil es das Jahr der schlimmsten Wirtschaftskrise war, die die westliche Welt je erfasst hat.«
    Etwas sticht hervor in diesem Grüppchen, ein Strahl karibischer Sonne am Nordpol, eine plötzliche Brise, eine Böe an einem schwülen Tag, eine Palme im Schnee, vollkommen anders als diese in schwarze Schläuche gehüllten Damen, die auf viel zu hohen Absätzen um die Männer herumschwirren wie die Motten.
    Ich muss den Blick abwenden von diesem Alien, der da groß und schlaksig in der Ecke steht und eine Dose Cola aufreißt.
    Seit der Grundschule habe ich dieses Gefühl nicht mehr erlebt, diese Erleichterung, wenn man nur noch vor all den Menschenmassen fliehen will, plötzlich aber jemanden sieht, der einem vertraut vorkommt, jemanden, den man bereits zu kennen meint und um ein Haar verpasst hätte, weil man sich auch in die andere Richtung hätte drehen können.
    Okay, ich werde ihn nicht anstarren, aber was macht so einer unter diesen Zombies? Ein Kollege von Sarah kann das nicht sein, das hätte sie mir erzählt. Ein bedürftiger Abstinenzler mit langen, gelenkigen Fingern, runder Metallbrille und Tweed-Jackett mit Lederflecken. Um den Hals ein rotes Tuch. Unter dem Jackett trägt er einen Pullover, der sicher, darauf würde ich wetten, an den Ellbogen zerschlissen ist.
    Vergiss es, Diego, die ist zu hübsch, um nicht ganze Scharen von Verehrern zu haben. Vielleicht ist sie sogar mit einem dieser Typen hier liiert oder verheiratet, oder sie ist seine Geliebte, weil er mit einer anderen verheiratet ist.
    Er macht ein Gesicht, als wäre er auf dem falschen Fest. Vielleicht hat er an der falschen Klingel geklingelt oder ist im falschen Haus gelandet.
    Ganz ruhig, Diego, gib dir keine Mühe zu begreifen, warum der Anblick dieser Frau dich plötzlich euphorisch macht. Bleib einfach stehen und schau zu, wie sie sich mit der Hand durch die Haare fährt.
    Ich
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