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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume
Autoren: Paola Calvetti
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dieses Gefühl verband sich für ihn mehr als alles andere mit dem Wort »Harmonie«.
    Man kann auf der Suche nach Frieden einen Friedhof betreten und Bach dort finden.
    Vor ihren mit Schnee besprenkelten Fotos überwältigten ihn eine Woge der Sanftheit und eine nie gekannte Ruhe.
    Der Schmerz war verschwunden. Fast vollständig.
    Von dieser Stille benommen weinte er.
    Dann kehrte er mit großen Schritten zurück und hatte jedes Mal, wenn er den Fuß aufsetzte, das Gefühl zu schweben.
    Zum allerersten Mal verließ er diesen Ort, ohne zu denken, dass der Tod die einzige Antwort war.
    Selbst vom Schnee hatte er jetzt genug.
    Er ging der Zukunft entgegen, und die Zukunft stand diesmal auf seiner Seite.
    Nachdem er das Gedicht wieder in die Tasche gesteckt hat, lässt er seine Finger über das Polaroid-Foto gleiten. Es ist verschwommen, als hätte es der Fotograf eilig gehabt und nicht die nötige Entwicklungszeit abgewartet. Unter einem weißen Schatten steht das Wort WELCOME .
    WILLKOMMEN .
    Er steigt aus und merkt, dass er sich gar nicht von der Dame mit den Päckchen verabschiedet hat, acht Stationen zuvor.

Das Ende
    Es gibt Momente im Leben, in denen sich alles ändert. Momente, in denen etwas passiert, das radikal über den Haufen wirft, was bis zu diesem Augenblick war.
    Ich habe es geschafft.
    Ich atme ein und aus, ein und aus, ein und aus und bin bereit, mich unter die illustre Gesellschaft glücklicher Erfolgsmenschen zu mischen, die sich hinter dem anthrazitfarbenen Eingangsportal tummeln.
    Werde jetzt nicht wehmütig, Olivia, sondern geh weiter und stell dich innerlich darauf ein, Art-Direktoren, Bildredakteure, Werbetexter, Kreative, Berater, Jingle-Komponisten, Regisseure und Praktikanten zu begrüßen, denn irgendjemanden wirst du ja wohl kennen hier. Und begib dich vor allem auf die Suche nach Sarah und umarme sie, nach der großartigen Überraschung von vor ein paar Stunden.
    Hätte ich auf dem Sofa vor dem Fernseher zusammenbrechen und mich in Selbstmitleid sudeln können, nachdem ich den soundsovielten Beweis dafür erhalten hatte, dass Sarah auf den Grund meiner Seele sah, auch wenn ich mich versteckte? Sarah, die Sibylle. Sarah, die das große Schweigen und die unbeantworteten Anrufe zu deuten gewusst hatte. Sarah, die mich nicht zu Hause angetroffen hatte und – trotz Kind, Job und Weihnachten – meinen Fußboden mit neonfarbenen Post-its übersät hatte wie der kleine Däumling.
    Der erste Weg führte zum Bett, auf dem sie zwei Bekleidungsoptionen ausgebreitet hatte, auch wenn mir Version A mit dem Vintage-Schlauchkleid, den perlenbesetzten gelben Sandalen und den schwarzen Seidenstrümpfen ein wenig übertrieben vorkam. Die zweite Post-it-Spur geleitete mich direkt zum Küchentisch, wo mich Kräutertee, Honig, Wasserkocher, Tasse und Teelöffel anschauten, als wollten sie sagen, komm erst mal zur Ruhe, Olivia, und denk in der Badewanne noch einmal über alles nach. Just dorthin führte die leuchtende Zettelspur im Badezimmer, ein Traum, der Wirklichkeit geworden war. Tatsächlich erwarteten mich dort sechs herrliche Kerzen mit dem Duft von Honig und Vanille, ein neues Körperöl und eine Streichholzschachtel, die dem Spindeldürren in der Bar Tabacchi ausnehmend gut gefallen hätte. Auf der Minikommode meiner Großmutter standen neben der Feuchtigkeitscreme und der Augenfaltencreme meine Lippenstifte Spalier.
    An den Spiegel hatte sie mit Lippenstift den hilfreichsten Spruch der letzten vierundzwanzig Stunden geschrieben:
    DEM WERDEN WIR ES SCHON ZEIGEN,
DEM SCHICKSAL.
    Unwiderstehliche Sarah.
    Nur Mut, Olivia, es ist an der Zeit, in die Gesellschaft zurückzukehren.
    Ich bleibe auf der Schwelle stehen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Ein ganzes Heer an Gesichtern und zusammengedrängten Körpern, alle mit Handy und Sektglas bewaffnet. Die Frauen sind dünn und tragen das Haar in raffinierten Knoten oder lassen es in Stufen auf die Schultern herabfallen. Die vorherrschende Kleiderfarbe ist schwarz, als wären alle im selben Geschäft gewesen. Dass sie aus dem Bereich Werbung und PR kommen, erkennt man an der spielerischen Leichtigkeit, mit der sie sich begegnen, sich begrüßen und die Sektgläser heben.
    Ich habe zwei Zigarren auf nüchternen Magen geraucht und bin hungrig, aber an diesem Tisch unter den vier Porno-Uhren mit den Bananenzeigern bin ich von Leuten
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