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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume
Autoren: Paola Calvetti
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Vorhersagen, aber sie scheint tatsächlich auf meinen Tisch zuzukommen. Eine Handvoll Kleingeld für ein Bündel Scheine zu halten ist nur eine Frage der Perspektive, Diego, also reiß dich zusammen. Mein Schal kratzt, aber ich traue mich nicht, ausgerechnet jetzt etwas dagegen zu unternehmen. Sie richtet sich das Haar. Von hier aus ist es kastanienbraun mit ein paar helleren Strähnen.
    Er fasst sich an die Brille. Ich muss lernen, mich nicht vorzeitig von meinen Ängsten unterkriegen zu lassen. Aber auch, nicht zu viel zu erwarten. »Warum stürzen wir uns nicht einfach ins Vergnügen?«, schrieb Jane Austen vor vielen Jahren.
    Irgendetwas verkrampft sich, der Gehirnmuskel zuckt wie in der Probezeit, wenn Alter und Erfahrung leere Formeln ohne großen Nutzen sind. Würde ich bei den Anonymen Romantikern dieses Beispiel vortragen, wäre mir die allgemeine Aufmerksamkeit sicher. Wieder ist ihr eine Strähne in die Stirn gefallen. Was würde ich darum geben, sie an Ort und Stelle zurückbefördern zu können. Einfach so, ein Vorwand wie jeder andere. Sie kommt immer näher.

    Ich bleibe stehen. Setze einen Fuß auf unsere Insel. Wir schauen uns an, ein dümmliches Lächeln im Gesicht, dann erlischt das Lächeln. Ein unmerkliches, misstrauisches Erschauern. Wir wissen nicht, was wir sagen sollen, und schauen uns einfach weiter in die Augen. Die seinen hinter der Brille sind pechschwarz, aber von einem seltsamen Leuchten erfüllt.
    Alles geschieht so schnell. Kann man vor Schüchternheit sterben? Sie steht vor mir. Ich bin bei ihr. Sie hat lange Wimpern, und in ihren Augen liegt eine gewisse Melancholie. Mein Herz klopft wild. Wie um alles in der Welt kann ich so aufgewühlt sein, nur weil eine Frau mich anlächelt?
    Wollen wir hoffen, dass er nicht alles ruiniert, indem er sich erkundigt: »Und du, was machst du so beruflich?«, denn im Moment habe ich keinen Beruf, und in der nächsten halben Stunde habe ich keine andere Berufung, als mich mit ihm zu beschäftigen.
    Alles hängt davon ab, ein paar einfache Worte zu finden. Es bräuchte eine dieser Phrasen, die das Eis zum Schmelzen bringen. Stattdessen stehe ich stocksteif da und schweige. Wenn man bedenkt, dass ich Anwalt bin.
    Ich müsste etwas Umwerfendes sagen, einen dieser Sätze, die den Gesprächspartner zu dem Urteil nötigen: »Wahnsinn, diese Frau ist absolut brillant.« Stattdessen: Sendepause. Mir fällt nichts ein. Das Schweigen ist fast greifbar. Nicht dass mir das missfällt, ein Gefühl zieht das andere nach sich, unmöglich zu sagen, wo das alles angefangen hat.
    Â»Was auch immer geschieht, selbst die banalsten, alltäglichsten Vorkommnisse können uns, die wir irren und uns verirren, weiterbringen und bis an die Grenzen unserer Vorstellungskraft treiben.« Das muss ich irgendwo gelesen haben, keine Ahnung, wieso es mir plötzlich einfällt. Vielleicht sollte ich es jetzt zu ihr sagen, dabei möchte ich mich einfach nur in ihr Haar wühlen. Sie lächelt, als wäre ihr Lächeln ein Wort, das mir das Gefühl gibt, am richtigen Ort zu sein.
    Die Bananen stehen auf 21:29 Uhr.
    Bemühe nicht den Zufall, Olivia, störe das Schicksal nicht grundlos und konzentriere dich darauf, irgendeinen Satz zu sagen. Vergiss das Gravitationsgesetz, dies ist der Moment, in dem die Rakete startet. Ich zerbrösele wie eine Trockenblume und bekomme einen Hustenanfall. Ausgerechnet jetzt?
    Sie hustet und hört gar nicht mehr auf. Ich sollte sie vielleicht fragen: »Möchten Sie ein Glas Wasser, Signorina?« Oder sollte ich sie lieber duzen? Und plötzlich habe ich das Gefühl, dass ich einer Frau mit einem derart engelsgleichen und wenig perfekten Gesicht von den Anonymen Romantikern erzählen könnte, ohne dass sie sich vor Lachen ausschütten würde. Vielleicht würde sie sogar Mitglied werden. Vielleicht ist sie »eine von uns«.
    Husten … Gott sei Dank ist es vorbei! Andererseits, was sehe ich nicht alles in diesen Augen: Angst, Verlangen, Heiterkeit, Neugier, Erschöpfung. Wieder ein Lächeln. Kurz und unmerklich. Und doch habe ich das Gefühl, dass es ein zufriedenes Lächeln ist. Ich bin unschlagbar, wenn ich schweigsamen Menschen begegne.
    Mehr als alles andere würde ich sie gerne küssen. Es ist, als wollte sie mich in irgendetwas hereinziehen, das ich noch nie getan habe und zu dem ich vermutlich nie wieder
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