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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume
Autoren: Paola Calvetti
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grüße nach rechts und nach links, lächele irgendwelchen Unbekannten mit Sektglas zu und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, was mein Geist offenbar längst entschieden hat, dass ich diesen Typen nämlich unbedingt kennen lernen muss.
    Wenn du einer solchen Frau über den Weg läufst, kannst du ruhig aus dir herausgehen, sie täuscht dich nicht. Na, komm schon, nach einem solchen Tag darf man auch mal vergessen, und morgen erinnerst du dich einfach nur an das, was du willst.
    Die Menschen sind nie dort, wo sie sein sollen, wenn du sie mal brauchst. Wo steckt Sarah nur? Vielleicht ist das ja auch ein Zeichen, vielleicht kennt sie ihn ja, und falls dem so ist, würde sie mir wahrscheinlich sagen, dass er verlobt oder verheiratet oder kein Mann für mich ist, und so in wenigen Sekunden zerstören, was sich in ewigen Minuten entsponnen hat. Dafür ist aber jetzt keine Zeit, denn der Typ könnte sich umdrehen und gehen.
    Und wenn ihr nicht einmal im Traum in den Sinn käme, sich zu mir zu gesellen? Es ist eine Frage von wenigen Metern, aber sie könnte vorher abdrehen und tschüss.

    Ich würde mich eine Spur sicherer fühlen, wenn ich mich für die durchschlagende Weiblichkeit von Option A entschieden hätte. Stattdessen habe ich eine Jeans, eine weiße Bluse mit breiten Manschetten und Männerstiefel angezogen.
    Eine Strähne fällt ihr in die Stirn, sie schiebt sie beiseite, die Strähne fällt wieder. Die Art und Weise, wie sie ihre Haare schüttelt, ist irgendwie … überraschend. Jetzt legt sie den Kopf in den Nacken und lächelt jeden an, der sie anlächelt, und dreht sich langsam um die eigene Achse. Sie kommt einen Schritt näher.
    Und was, wenn er Witwer ist und erst lernen muss, neues Vertrauen in menschliche Beziehungen zu fassen?
    Und was, wenn sie gar keinen Durst hat, sondern Hunger? Aber das hieße dann schlicht, dass nichts an der Sache dran ist und ich mir etwas zurechtfantasiere, weshalb ich auch keine Signale aussenden müsste, indem ich mich der Wurstplatte zuwende.
    Sei doch vernünftig, Olivia. Warum solltest ausgerechnet du jemanden interessieren, der soeben einen schweren Verlust erlitten hat? »Du musst wissen, dass ich im Bett ziemlich langweilig bin«, könnte ich sagen. Oder auch: »Wenn man die zwanzig überschritten hat, ist es eigentlich nicht mehr zulässig, sexuelle Blockaden einzugestehen. Ich gehöre zwar nicht zur Kategorie der scheuen Jungfrauen und bin auch nicht hoffnungslos unbedarft, aber um auf Start zurückzugehen – wenn du mich einfach nur ins Bett bekommen willst, ist das nichts für mich, und eigentlich will ich auch nur wissen, wer du bist.«
    Ich schütte die Cola in den Plastikbecher und spüre, wie sich meine Einsamkeit zwischen den Bläschen auflöst. Auf dem Tisch bildet sich ein brauner Fleck. Ich kann keine Interferenzen feststellen, abgesehen von dem, was in den dreiunddreißig Jahren vor diesem Moment geschehen ist. Mein kleiner Astronaut, ich reibe dich wie Aladins Wunderlampe, sieh zu, dass du deine Pflicht erfüllst: Hilf mir.
    Ich möchte mich nicht wie schon so oft vom Schein trügen lassen, aber der Typ benimmt sich, als würde er auf mich warten. Vielleicht wartet er auch auf jemand anderen. Eine andere, im schlimmsten Fall. Nun gut, ich pirsche mich an, aber innerlich stelle ich mich schon darauf ein, ihn nie wiederzusehen. Im besten Fall ist er ein schönes Motiv für die Serie »Verschwundene«. In weiser Voraussicht habe ich meine Polaroid zu Hause gelassen.
    Sie kommt näher. Meine Wangen werden ganz heiß, als ich denke, dass ich gerne den Duft ihrer Haut riechen würde. Das ist ein wenig voreilig, ich weiß, aber meine Gedanken verselbständigen sich plötzlich und verfolgen nur noch ihre eigenen Interessen. Ich bin wie die Natur. Die Natur kümmert sich per definitionem nur um sich selbst und tut ihre Pflicht: leben.
    Olivia, du wirst demnächst vierunddreißig, bist gekleidet wie eine Gymnasiastin und benimmst dich wie ein Vollidiotin. Großmutter, bitte mach, dass nicht ausgerechnet jetzt Sarah aufkreuzt und dass dieser Typ auf Frauen mit Zwölf-Zentimeter-Absatz allergisch reagiert. Er mustert die Gesichter am Getränketisch, und wir wollen nur hoffen, dass er nicht ausgerechnet jetzt eine Bekannte entdeckt, denn dann müsste ich sofort abdrehen.
    Bestimmt übertreibe ich mit meinen
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