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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse
Autoren: Kristin Hannah
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im Bundesstaat Washington. Von hier aus konnte sie nach Hause.
    Doch nicht der Ort war das Problem, wie ihr sofort klar war. Sie atmete tief durch und schloss die Augen. Für die nächste Frage musste sie ihren ganzen Mut aufbieten. »Welches Jahr haben wir?«
    Ein Herzschlag Stille, dann sagte er: »1873.«
    »Oh nein.« Sie presste die Hand vor den Mund. »Ach, Mist...«
    Achtzehnhundertdreiundsiebzig.
    Kein Fernsehen, kein Telefon, kein Strom. Und das war noch nicht alles. Wie sollte sie ohne Dusche, Rasierapparat und Tampons leben?
    »Unmöglich.« Sie ballte die Fäuste und schrie lauthals: »CAROL!«

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    3
    Verwirrt und um Worte verlegen starrte er seine Frau an.
    Sie war ... verändert. Ihr harter, berechnender Blick war viel sanfter, sie sah schwach und verängstigt aus und fühlte sich sichtlich verlassen.
    Er verspürte das unerklärliche Verlangen, ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen und ihr zu sagen, alles würde gut werden.
    Sofort verzog er den Mund zum Zerrbild eines Lächelns. Oh Gott, wie würde sie lachen, wenn sie jetzt seine Gedanken lesen könnte!
    Nie würde sie Trost von ihm akzeptieren, und die Erkenntnis, dass er auch jetzt noch, nach Jahren des Schweigens und der Kränkung bereit war, sie zu lieben, reichte aus, dass ihm übel wurde.
    Seine breiten Schultern sanken besiegt vornüber. Jackson Rafferty, du bist ein verdammter Narr.
    Sie hasste ihn. Hatte ihn seit dem Moment gehasst, als er ihr die Wahrheit über sich sagte. In jenem Sekundenbruchteil hatte sich die Liebe in ihren Augen verwandelt und war zu etwas Kaltem, Schwarzem geronnen. Nicht ein einziges Mal in all den Jahren ihrer Ehe hatte der Hass nachgelassen. Sie verachtete ihn und seine Feigheit mit einer Intensität, die ihn immer noch in Erstaunen versetzte und verletzte.
    Amarylis hatte Jack nur aus einem einzigen Grund geheiratet. Sie hatte Sicherheit gesucht. Sie entstammte einer Familie, die als armes, weißes Gesindel galt, und hatte Jackson Rafferty als Mittel zum Zweck angesehen. Als sich die Dinge änderten, als er sich änderte, hatte sie sich betrogen gefühlt, und in den Jahren seither war dieses Gefühl gewachsen, um sich schließlich in eisigen Hass zu verwandeln. Seine Schwäche hatte sie ihm nie verziehen und würde sie nie verzeihen. Ihre Träume von Ansehen und Reichtum waren vernichtet, geblieben war ihr nur die leere Hülse eines Mannes, der den Verstand verloren hatte, und eine heruntergewirtschaftete Schafranch am Ende der Welt.
    Das alles und mehr wusste er. Warum also sah er nun in ihren Augen eine Sanftheit, die unmöglich vorhanden sein konnte? Amarylis war nie schwach und ängstlich. Das wusste er. Es war alles Einbildung, wie so vieles.
    Er fuhr sich unsicher durchs Haar. Er wusste nur zu gut, was sie imstande war, ihm anzutun, und er würde es nicht wieder zulassen. Ihre Verachtung und ihr Hass würden ihn nicht wieder zum Äußersten treiben. Wenn er schon nicht seinetwegen den Kampf aufnahm, musste er um die Kinder kämpfen.
    »Ich bin nicht deine Frau. Wie heißt sie doch gleich? Amaretto?«
    Jack sah mit einem Ruck auf. »Wie?«
    »Sie ist tot. Los, mach schon und betrauere ihren Tod. Es handelt sich um eine Verwechslung. Zu einem Zeitsprung hätte ich nie meine Einwilligung gegeben. Achtzehnhundertdreiundsiebzig.« Ihr schauderte. »Wie soll ich ohne Mikrowellen und Computer zurechtkommen? Und was ist mit meiner Arbeit?«
    »Du meinst den Haushalt?« Er runzelte die Stirn. »Aber du machst doch gar nichts.«
    Sie atmete in kleinen, bebenden Zügen. »Haushalt im neunzehnten Jahrhundert?«, sagte sie schwer atmend. »Wie läuft das denn? Soll ich Seife aus Baumrinde machen und Böden scheuern? Oh mein Gott, Carol! Komm herunter. Jetzt!« Sie schaute wild um sich, als erwarte sie jemanden ... oder irgendeine Reaktion auf ihren Aufschrei. Der Name Carol schwang in der Luft nach und verstummte, worauf sich wieder undurchdringliche, unbehagliche Stille über den Raum senkte.
    Die Lampe neben dem Bett flackerte. Das schwankende Licht fiel auf die Quilt-Decke mit dem rotweißen Ringmuster und beschien das klassisch-schöne Gesicht seiner Frau. Ihre Lider zuckten und schlössen sich. Braune Wimpern hoben sich dunkel von ihrer bleichen Haut ab.
    Er glaubte zu hören, dass sie »Mist« murmelte, als sie sich müde in den Berg Federkissen zurücksinken ließ, doch war dies so gut wie undenkbar. Amarylis Rafferty, vollendete Südstaatenlady auch auf einer öden, einsamen Schafranch, würde
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