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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse
Autoren: Kristin Hannah
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nie Kraftausdrücke gebrauchen.
    Jack zerbrach sich den Kopf, was er sagen sollte, doch war es viele Jahre her, seitdem er ruhig mit seiner Frau gesprochen hatte, und noch länger, seitdem sie ihm hatte zuhören wollen.
    Er hatte sich eben für die unglaublich banale und unverfängliche Frage entschieden, ob sie Durst hätte, als man vor der Tür Schritte hörte. Es folgte Geflüster, dann wurde angeklopft.
    Jack erstarrte. Alle Gedanken, seine Frau zu trösten, waren vergessen. Ihm fiel ein, wer sie war und welchen Schmerz sie ihnen allen zuzufügen vermochte.
    Hinter seinen Augen dröhnte Kopfschmerz. Er rieb sich die Schläfen. Die Kinder waren sein Leben. Alles, was er besaß und je zu besitzen hoffen durfte. Er musste sie vor dem strafenden Zorn und explosiven Hass ihrer Mutter schützen, und es gab nur einen Weg, dies zu tun. Mochte es ihn noch so schmerzen, mochte jedes Schweigen ihn auch noch so viel Nerven kosten, er musste unbeteiligt und gleichgültig wirken. Denn wenn Amarylis merkte oder auch nur argwöhnte, wie sehr er seine Kinder liebte, würde sie einen Weg finden, sie alle dafür büßen zu lassen. Vor allem die Kinder, denn indem sie ihnen wehtat, tat sie Jack weh. Und Jack zu verletzen, war immer ihr vorrangiges Ziel, damit er nie vergaß, dass er sie betrogen und ruiniert hatte, eine Tatsache, die sie ihm nie verzeihen würde.
    Er wusste noch, wie er das letzte Mal versucht hatte, die Mädchen vor der ätzenden Zunge seiner Frau zu schützen. Sie hatte ihn geschlagen - eine brennende, laute Ohrfeige mit der flachen Hand - und gedroht, sie würde für immer gehen, sollte er noch ein Wort sagen.
    Und dann wird man sehen, was aus den Mädchen wird, du elender Feigling. Sie würden so verdreht und verrückt werden wie du. Möchtest du das !
    Die Erinnerung jagte ihm Schauer über den Rücken. »Es sind die Mädchen. Sie möchten dich besuchen.«
    Sie sah ihn scharf an und zog die Brauen leicht zusammen. »Die Mädchen?«
    Er suchte in ihrer Miene nach Anzeichen, dass sie wieder mit ihm ihr Spiel trieb. Doch er fand keine Verstellung darin, kein Anzeichen, dass sie ihren Gedächtnisverlust heuchelte. »Unsere Töchter, Savannah und Mary Katherine.«
    »Ach ...« Sie nickte, doch blieb ihr Blick verwirrt. »Also gut.«
    »Kommt herein, Mädchen«, rief er.
    Die Tür ging auf. Savannah trat mit dem Baby in den Armen als Erste ein. Am Fuß des massiven Bettes blieb sie stehen. Katie, die ihr rasch folgte, verschmolz hinter ihrer Schwester wie eine gestaltlose Erscheinung mit der Dunkelheit. Nur ihr tiefschwarzes Haar und die Andeutung eines zitronengelben Bandes blieben neben Savannahs angewinkeltem Ellbogen sichtbar.
    Jack starrte seine Kinder mit stumpfem Blick an. Ihre verängstigten Gesichter griffen ihm ans Herz. Wie immer war er sich seiner Sündhaftigkeit und Schande so deutlich bewusst, dass ihn ekelte. Er und Amarylis hatten zwei lebhafte, liebe Mädchen zu schattenhaften, stummen Geschöpfen gemacht.
    Ihre Ehe stellte seit Jahren schon ein blutiges Schlachtfeld dar. Und diese zwei vollkommenen, schönen Geschöpfe, ihre eigenen Kinder, waren die Opfer als Gefangene eines Krieges, den sie nicht begriffen.
    »Wie geht es dir, Mama?«, fragte Savannah gedämpft und respektvoll.
    Tess richtete sich ein wenig im Bett auf. Hier stimmte etwas nicht. Etwas ... Sonderbares. »Kommt näher, Kinder. Ich möchte euch sehen.«
    Das größere der zwei Mädchen trat zögernd vor. Als es in den Lichtkreis der Lampe geriet, zog es Tess das Herz zusammen. Das Mädchen war verzweifelt um Haltung bemüht, indem es das Kinn trotzig anhob. Die großen blauen Augen starrten bar jeden Gefühls vor sich hin, als ginge von der Wand größte Faszination aus. Es war völlig reglos bis auf das Zittern der rissigen, von der Arbeit geröteten Hände.
    Hinter ihr duckte sich ein kleineres Kind und klammerte sich fest an den bodenlangen blauen Baumwollrock.
    »Wer von euch beiden ist Savannah?«
    Das ältere Mädchen schien kurz zu erschrecken und sagte dann: »Ich ... ich bin es.«
    »Und hinter deinen Röcken ist Mary Katherine, nehme ich an?«
    Sie nickte und warf einen langen, brünetten Zopf über die Schulter.
    »Wie alt bist du?«
    »Ich bin zwölf, Katie ist sieben.«
    Nach der knappen Antwort trat wieder Schweigen ein. Tess gewann den deutlichen Eindruck, dass dies der Normalzustand der Familie war. Dann schrie jemand. Es hörte sich an wie ein Schluckauf, ein sprudelndes Geräusch, dem jammernden Heulton einer
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