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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse
Autoren: Kristin Hannah
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an.
    »Mrs. Rafferty? Fühlen Sie sich einigermaßen?«
    Tess blickte sich suchend nach Mrs. Rafferty um.
    Als er seinen Schemel näher heranschob, glitten die Holzbeine mit einem scharrenden Geräusch über den Boden. Er legte ihr eine skelettartige, blau geäderte Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. »Willkommen zurück.«
    Das war kein Traum. Sie konnte wirklich hören.
    »Waaas ...« Tess versuchte zu sprechen, aber ihre Kehle brannte, als hätte sie stundenlang geschrien. Sie musste ihre Fragen mit den Händen gestikulierend stellen: Was ist los mit mir?
    Der Mann warf einen Blick über die Schulter in die Dunkelheit der Zimmerecke. »Sieht aus, als wollte sie etwas sagen ...« Er beugte sich tiefer über sie und sah ihr in die Augen. »Ich bin Doc Hayes. Können Sie sich an mich erinnern?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er furchte die Stirn und stand auf.
    Trotz ihrer Schmerzen konnte sie über seine langsamen, müden Schlurfschritte nicht genug staunen. Nach so vielen Jahren in schweigendem Nichts empfand sie das ganz gewöhnliche, alltägliche Geräusch seiner Stiefelabsätze auf dem Boden als unbeschreiblich wundervoll.
    Er verschmolz mit dem Schatten an der Tür. »Ich weiß nicht recht, Jack. Dergleichen habe ich noch nie erlebt. Ich war so gut wie sicher, dass sie tot ist. So etwas sieht man nicht alle Tage. Könnte sein, dass sie eine Zeit lang ... irgendwie anders ist. Wer weiß? Sieht aus, als wäre ihr Gedächtnis zum Teufel.«
    »Was kann man für sie tun?« Wieder eine Männerstimme, weicher und voller. Der warme Ton, mild wie ein guter Brandy, jagte Tess einen Schauer über den Rücken.
    »Ich weiß nicht«, antwortete der Arzt. »Sollte sie Fieber bekommen oder sollte sich ihr Zustand verschlechtern, dann lassen Sie mich holen.«
    Die Schatten bewegten sich. Die Tür öffnete sich knarrend und fiel ins Schloss. Sie war allein.
    Verwirrung wogte um sie herum wie dichter grauer Nebel und sog sie in seine Schwaden hinein. Müde blickte sie sich in ihrem Krankenzimmer um, aber die Schatten waren so tief, dass sie über ihr Bett hinaus nicht viel erkennen konnte. Und doch war ihr etwas an diesem verdunkelten Raum ganz und gar nicht geheuer. Angst prickelte in ihrem Nacken. Sie war oft genug im Krankenhaus gewesen, um auch in der Dunkelheit festzustellen, dass etwas fehlte. Wo waren der vertraute antiseptische Geruch und das gedämpfte Summen fluoreszierender Beleuchtung? Denn Ärzte machten längst keine Hausbesuche mehr.
    Die Minuten verstrichen leise, ohne das regelmäßige Ticken einer Uhr, das von ihrem Vergehen kündete. Sie starrte zur fremden Zimmerdecke und spürte Wärme und Licht von der Lampe neben ihrem Bett. Der beißende Geruch eines brennenden Dochtes reizte ihre Nase.
    Wie merkwürdig, dachte sie. Alles war so verdammt merkwürdig.
    Ehe sie dahinter kommen konnte, warum, schlief sie wieder ein.
    Tess versuchte mit aller Kraft, ihre Augen zu öffnen. Das schmerzliche Dröhnen dahinter machte es ihr unmöglich. Unruhig wälzte sie sich auf ihrem Lager hin und her.
    Etwas Kühles berührte ihre Stirn. Es fühlte sich unbeschreiblich gut an. Über ihre ausgetrockneten Lippen glitt ein leises Aufatmen.
    Nach einer Weile war sie imstande, die Augen zu öffnen. Das Erste, was sie sah, war wieder dieser unheimliche Boden beziehungsweise die Decke.
    »Ach, Mist«, murmelte sie. Sie war sicher gewesen, beim tröstlich vertrauten Anblick weißer, schalldichter Fliesen und langer Leuchtröhren zu erwachen.
    Der kühle, feuchte Lappen verschwand von ihrer Stirn. Vor ihren Augen schwankte fleischfarben etwas Undeutliches. Sie blinzelte, versuchte klar zu sehen. Allmählich verfestigte das Verschwommene sich zu einem Männergesicht, bekannt und fremd zugleich.
    Der Mann strich sich eine lange, schwarze Strähne aus den Augen und beugte sich tiefer über sie. Müde, gerötete Augen sahen sie fragend an. Schwarze Bartstoppeln machten seine Wangen noch hohler und die harte, männliche Linie des Kinns noch markanter. Tess runzelte die Stirn. Ein Hauch von Erinnerung huschte ihr durch den Kopf. Verzweifelt versuchte sie, seiner habhaft zu werden. Irgendwo hatte sie dieses Gesicht schon gesehen.
    Und dann traf es sie wie ein Blitz. Er sah aus wie eine Art Sam Elliot... an einem ganz schlechten Tag.
    Aber warum war der Mann so abgekämpft, als hätte er endlose Stunden an ihrem Bett gewacht? Es gab niemanden, dem sie so viel bedeutete.
    Ein Arzt, fiel ihr plötzlich ein. Er musste der Arzt sein, der
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