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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans
Autoren: Marcia Muller
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war
zusammengebrochen und hatte dreizehn Stunden geschlafen. Es war ein unruhiger
Schlaf gewesen, voll häßlicher Bilder, gelegentlich gestört vom Heulen des
Sturms, und ich erwachte zerschlagen und deprimiert. Inzwischen hatte sich das
Wetter gebessert, und der Hilfssheriff erschien mit seinem Boot, um sich nach
uns zu erkundigen. Nachdem ich Benjamin Ma berichtet hatte, was ich über
Stephanie und ihre Taten wußte, war das Boot mit ihr und dem toten Mr. Won
davongefahren. Angela war auch nicht mehr da. Sie mußte sich um die
Begräbnisvorbereitungen kümmern, und vermutlich hatte der Sheriff auch ein paar
Fragen bezüglich der Unterschlagungen. Als der Regen nachließ, brachte ein
bedrückter Denny die Fähre wieder in Gang, und ich fuhr zum Sheriffbüro, um
eine formelle Aussage zu machen.
    Wieder auf der Insel, forderten die
anderen Erklärungen. Ich erzählte ihnen, warum Stephanie so gehandelt hatte,
wieder ohne große Einzelheiten. Als sie wissen wollten, wie ich es entdeckt und
was Stephanie in ihrem Geständnis gesagt hatte — das sie ablegte, ehe ihr
Anwalt auftauchte und ihr riet, nichts weiter zu sagen — , machte ich einen
Rückzieher und gab ihnen die in der Bibliothek gefundenen Briefe. Ich war
einfach viel zu müde, um noch einmal im Geist alle Schritte zurückzulegen, die
zur Lösung geführt hatten, zu traurig, um von dem Geständnis zu erzählen, das
Benjamin Ma mich hatte lesen lassen. Deshalb ging ich in mein Zimmer hinauf und
schlief noch einmal zwölf Stunden. Jetzt war es Zeit, abzureisen. Am liebsten
wäre ich ohne weitere Erklärungen und Diskussionen aus dem Haus geschlüpft,
aber es schien mir nicht richtig, ohne Abschied zu verschwinden. So machte ich
meine Runde. Ich begann mit Sam, der in den Resten des Obstgartens
spazierenging. Mit gesenktem Kopf wanderte er zwischen den umgestürzten Bäumen
umher — ein Mann, der jetzt eine schwerere Last trug als bei seiner Ankunft auf
der Insel.
    »Ich wollte mich nur verabschieden«,
sagte ich.
    »Sie wollen schon abreisen?«
    »Mein Job ist erledigt.«
    »Ich werde Sie vermissen.«
    Ich ging neben ihm her. »Wie geht es
Neal?« Er hatte seinen Bruder in eine Klinik in Rio Vista gefahren, sobald die
Fähre wieder funktionierte.
    »Er ist immer noch deprimiert. Er steht
unter Beobachtung. Ich muß warten, bis die Ärzte mir erlauben, ihn wieder
mitzunehmen.«
    »Sie wollen ihn nach Michigan
zurückholen?«
    »Ja. Er braucht mich, aber natürlich
kann ich meine Arbeit nicht aufgeben und hierbleiben. Ich möchte, daß er in gute
psychiatrische Behandlung kommt. Das hätte schon längst geschehen sollen.«
    »Was wird aus der Insel?«
    »Denny und ich werden die nötigen
Reparaturen machen, und er ist bereit, für eine Weile den Verwalter zu spielen.
Ich weiß, daß ich ihm den Besitz anvertrauen kann.«
    »Wo ist er denn? Ich möchte nicht
wegfahren, ohne ihn noch mal zu sehen.«
    »Er verschönert Max’ Hütte. Er will
dort wohnen.«
    »Werden Sie die Insel später
verkaufen?«
    »Das hängt von Neal ab. Schließlich ist
es seine Insel, wie er ständig betont hat. Er soll entscheiden.«
    Wir schlenderten auf den Deich hinter
dem Obstgarten zu. Er hatte weit besser standgehalten als der beim Bootshaus.
»Denny nimmt die Sache mit Stephanie ziemlich schwer, nicht wahr? Er mochte
sie.«
    »Ja. Sie stritten sich zwar häufig,
aber dahinter war ehrliche Zuneigung zu erkennen.«
    Sam blieb bei einem umgefallenen Baum
stehen. »Setzen wir uns doch einen Augenblick. Ich möchte Sie ein paar Dinge
fragen.«
    Ich nahm neben ihm Platz und dachte
daran, daß wir schon einmal zusammen auf einem Baumstamm gesessen hatten. Es
schien Jahre her zu sein. »Wegen Stephanie, nicht wahr?« fragte ich.
    »Ja. Bisher waren Sie nicht bereit,
Genaueres zu erzählen, aber ich finde, wir müssen mehr wissen als das, was in
den Briefen steht.«
    »Okay. Aber, bitte, berichten Sie dann
den anderen, ich möchte es nicht noch einmal wiederholen.«
    »Das ist nur verständlich.«
    »Wie ich schon gesagt habe«, begann
ich, »war Stephanie die Enkelin von Louise Applebys illegitimem Sohn mit dem
Einsiedler, Alf Zeisler. Da Stephanie wußte, daß sie durch die entsprechenden
Testamentsklauseln keinen rechtlichen Anspruch auf die Insel hatte, kam sie
her, um hier zu arbeiten und die anderen von der Insel zu verscheuchen, damit
Neal billig verkaufen mußte. Es ist alles ganz logisch, wenn man weiß, daß
Louise Nachkommen hatte.«
    »Wie haben Sie das Ganze mit Stephanie
in
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