Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Handgreiflichkeiten
gekommen und Max unglücklich gestürzt. Warum haben sie sich aber draußen im
Regen unterhalten und nicht in der Hütte? Warum trug sie ihre Verkleidung?
Vielleicht wollte sie ihn erschrecken. Wir werden es nie erfahren.«
    »Und dann tötete sie ihn.«
    Ich nickte und dachte daran, wie ich
hilflos in dem halbvollen Boot getrieben hatte.
    »Und was ist mit Tin Choy Won?«
    »Erinnern Sie sich, daß Angela sich unten
mit ihm stritt und Stephanie hinunterging, weil sie dachte, sie könnte
irgendwie helfen?«
    »Sie tauchte mit weißem Gesicht wieder
auf und stürzte aus dem Haus.«
    »In seinen Fieberphantasien muß Tin
Choy Won sie für den Geist des Einsiedlers gehalten haben. Die Sache
beschäftigte ihn, denn hei meinem Besuch hatte ich diesbezügliche Fragen
gestellt. Angela hat das sicherlich als Fieberträume abgetan, doch Stephanie
hatte Angst, wenn Mr. Won wieder gesund war, würde er sich erinnern und es
erzählen.« Ich schwieg einen Moment. »Ein Wunder, daß sie Andrew nicht tötete.
Schließlich sah sie ihn in Mr. Wons Zimmer gehen. Sie nahm wohl an, daß er die
Situation nicht würde deuten können. Und als sie ihren Irrtum erkannte, war es
zu spät.«
    »Sie wußte, daß er die Zeichnungen noch
einmal gezeichnet hatte?«
    »Deshalb rannte sie aus dem Haus und
zum Boot. Sie war heruntergekommen und hatte Andrew und mich beim Feuer
beobachtet. Wir konnten sie nicht sehen, denn der Schein des Feuers reichte
nicht weit. Aber wir waren deutlich zu erkennen, auch der Ausdruck unserer
Gesichter.«
    »Mein Gott!« rief Sam und schüttelte
den Kopf. »Haben sie genug Beweise, um sie zu verurteilen?«
    »Das hängt von der Jury ab. Vielleicht
plädiert sie auf Unzurechnungsfähigkeit.« Dann fragte ich nach einer Weile.
»Was ist mit Angela?«
    »Jemand muß dem Sheriff einen Tip
gegeben haben, man hat sie verhört.«
    »Ich fürchte, daß ich das war.«
    »Das bedaure ich nicht. Angela sollte
nicht so leicht davonkommen. Vielleicht bin ich ein Dummkopf, aber ich hätte es
nicht tun können.«
    »Wahrscheinlich sind Sie einer, aber
deshalb gefallen Sie mir um so besser.« Ich stand auf. »Ich muß jetzt gehen.«
    »Gute Reise. Haben Sie etwas dagegen,
wenn ich mich einmal bei Ihnen melde?«
    »Etwas dagegen haben? Es würde mich
freuen.«
    Patsy war im Schlafzimmer und packte.
Sie sah in ihren alten Jeans und dem schäbigen T-Shirt erschöpft und
unordentlich aus, aber ich spürte eine gewisse Friedlichkeit an ihr.
    »Wo sind die Kinder?« fragte ich.
    »Mit Evans in Sacramento, sie gehen zum
Essen und in eine Matinee. Sie haben soviel durchgemacht, und wir dachten...«
Sie seufzte.
    Sie hatte »wir« gesagt, das ließ
hoffen. »Ich bin nur gekommen, um mich zu verabschieden.«
    »Du willst schon weg? Ich dachte, wir
hätten noch einen letzten Abend zusammen. Du hast die Sache mit Stephanie nie
richtig erzählt...«
    »Sam weiß Bescheid, er wird euch
anderen berichten. Ich muß zurück in die Stadt. Ich habe Freitag einen Termin.«
    »Na, schön. Warte einen Augenblick. Ich
soll dir von Andrew etwas geben.« Sie ging in sein Zimmer und kehrte ein paar
Augenblicke später mit der Zeichnung von Stephanies Hand zurück. Ich starrte
auf die langen, narbigen Finger, die versucht hatten, mich umzubringen. Keine
schöne Erinnerung.
    »Nimm sie. Du kannst sie ja wegstecken
und nur hervorholen, wenn er dich besucht.«
    »Vielleicht hänge ich sie ins Büro — eine
Art Suchbild.«
    Keiner von uns beiden lächelte.
    »Was für Pläne hast du, Patsy?« fragte
ich dann.
    »Wir gehen nach Ukiah zurück. Wir
können bei Freunden unterschlüpfen, bis wir uns über unsere Pläne im klaren
sind. Es hat keinen Sinn, im Delta zu bleiben. Die Kinder mögen es nicht — und
wir jetzt auch nicht mehr.«
    »Evans kommt also mit?«
    »Natürlich.« Sie bemerkte mein
erstauntes Gesicht. »Ach, Shari, diese Lügen... das tat er doch nur, um die
Leute zu beeindrucken. Und bei mir wußte er dann nicht mehr, wie er wieder
davon loskommen sollte. Es ist mir gleich, ob er einen Nervenzusammenbruch
hatte. Seit Jahren ist er wieder in Ordnung. Und daß er mich getäuscht hat, ist
mir auch egal. Ich liebe ihn. Mein ganzes Leben bin ich vor den Menschen, die
ich liebe, davongelaufen und habe Beziehungen abgebrochen, wenn es etwas
schwierig wurde. Mit Evans mache ich das nicht. Und«, fügte sie hinzu, »Andrew
braucht einen Vater. Er entwickelt sich zu einem unerträglichen kleinen
Klugscheißer.«
    »Ja, aber ich mag ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher