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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht.«
    »Hör mal …«
    Sie hörte auch nicht. So wie sie war, Wassertropfen auf der goldfarbenen Haut, auf langen Beinen und hochhackigen, schwarzen Pantoffeln, das lackschwarze Haar zu einem Zopf geflochten, kam sie hereingestakt, nichts am Leib als ein gleichfalls goldfarbenes, transparentes Seidenhemdehen. Teeny-Su – ihr Anblick vertrieb jeden Gedanken an Medizin. Wer Teeny hatte, brauchte keine Tropfen. Mandelaugen in einem Herzgesicht. Ein Lackmund. Und wie sie dich anschauen konnte …
    »Meinst du, ich treib' mich in diesem Scheiß-Penthouse die ganze Nacht herum? Wo steckt der Alte?«
    »Ich weiß es nicht. Er muß jeden Augenblick kommen.«
    »Jeden Augenblick? Für was hält er uns? Für Hotel-Nutten?« Ihr Lackmund verzog sich empört. Sie streckte die Hände mit den exquisiten roten Nägeln nach dem Gebäck aus. Sie knabberte. Vielleicht hatte sie dreimal mehr Erfahrung auf den schlanken, nackten Schultern als eine Hotel-Nutte, doch sie war keine. Wenn sie sich in Singapur aufhielt, arbeitete sie im ›Sweet Roses‹ Hostessen-Club an der Bugis-Straße, und das ›Sweet Roses‹ wiederum war nun wirklich eines der exklusivsten Etablissements, ein Schwester-Lokal des ›Come to heaven‹-Hostessen-Clubs in Taipeh. Und von dort war Teeny-Sue auch gekommen, als er sie im Rolls des Alten am Flughafen abgeholt hatte.
    »Ein Vier-Wochen-Booking, Teeny. Ist doch fabelhaft, oder?«
    Nur angesehen hatte sie ihn. Und dann: »Fabelhaft? Na, das werden wir noch sehen.«
    Doch bisher konnte sie sich wohl kaum beklagen. Eine Woche war bereits verstrichen, und Philip Wang Fu hatte nichts weiter von ihr gewollt als eine Art Empfangs-Test draußen in seiner Villa am Tanglin Hill. Sonst hing sie faul in einem der Gäste-Appartements des Wang-Fu-Konzerns in der Stadt herum. Oder sie ging Shopping. Natürlich, Singapur war teurer als Taipeh, aber die Auswahl, der Luxus – einmalig! Sie konnte sich also bedienen, wie sie wünschte. Nur auf eines mußte sie verzichten: den Mund aufzumachen. So schwer es auch fiel. Und sie würde sich hüten … Sie wußte, welche Konsequenzen das nach sich zog.
    Heute nacht nun stand Teeny-Sues zweiter Auftritt auf dem Programm. Dieses Mal im Paradies des Silver Towers. Und nicht als Solistin, nein, im Trio. Der Mandarin hatte immer wieder neue Ideen, nicht nur geschäftlich …
    »Champagner!« verkündete Teeny-Sue. »Und zwar sofort, Gold-Daumen. Die Kleine dreht völlig durch. Am besten, sie bekommt was zu trinken.«
    »Das geht nicht. Das besorgt er stets selbst. Und außerdem …«
    Außerdem? Er kam nicht dazu, Teeny-Sue aufzuklären. Das Telefon läutete. Er hob ab. Es war der Pförtner: »Er ist gerade in den Aufzug gestiegen.«
    Er legte den Hörer zurück. »Er kommt, Teeny.«
    Sie verdrehte die Augen und verschwand …
    Durch die hauchdünne Gummischicht ihrer Handschuhe fühlte Maya das vertraute, leise vibrierende Arbeiten der Kamera. Manchmal brauchte sie es. Nicht nur, weil es beruhigte, nein, weil es der zuverlässigste Beweis dafür war, daß all die langwierige und mühsame Zeit der Vorbereitungen vorüber war und sie endlich richtig arbeiten konnte. Es blieben noch immer die Blechbehälter im untersten Fach des Schrankes. Sie lächelte dem Tigerschädel dort oben zu, dann nahm sie den ersten heraus und öffnete den Verschluß.
    Dunkle, längliche, verschrundete Formen … Die Farbe tabakbraun. Es waren drei. Die sahen aus wie vertrocknete Wurzelstücke.
    Maya ahnte sofort, was sie da vor sich hatte. Rick Martin hatte ihr die Fotos gezeigt. Dies hier nun war widerwärtige, deprimierende Wirklichkeit. Abgeschnittene und getrocknete Tiger-Penisse …
    Sie nahm einen in die Hand – um ihn sofort wieder zurückzulegen. Die Berührung hatte sie erschreckt, nein, sie hatte etwas in ihr angerührt, das sie schon so lange vergessen hatte. Etwas wie Ehrfurcht, etwas vom unerklärlichen, dunklen, schweren Zauber der Tabus, die sie in ihrer Jugend kennengelernt hatte …
    Sie öffnete den zweiten Kasten. Und schaltete wieder das Kameralicht ein. Penisse … Mit Sicherheit der wertvollste Teil dieses sonderbaren und grauenhaften Tiger-Schatzes im Schrank. Mitnehmen? Einen besseren Beweis konnte sie Martin nicht liefern. Sie war dabei, einen Skandal aufzudecken, und ihre Aufnahmen sollten nicht nur den Beweis liefern, sie sollten auch so viele Menschen wie nur möglich aufrütteln, ihnen zeigen, was in Wirklichkeit in den letzten Tiger-Reservaten geschah. Abgeschnittene
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