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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war schön. Sie liebte ihn.
    Sie ließ das Fleisch fallen und sah zu, wie sich die beiden darüber hermachten, wie sie ihre Köpfe darin vergruben. Sie mußten essen. Sie mußten viel essen. Und dann würden sie weiterziehen, weiter nach Norden …

I
    Vom East Coast Parkway und der Keppel-Road drang das gleichmäßige Rauschen des Verkehrs. Dort zogen die Lichterketten der Fahrzeuge. Was sich in Singapur ›Nachtleben‹ nannte, kam langsam in Schwung. Die Menschen drängten aus den Kinos, wollten zum Fluß oder ans Meer, um die frische Brise zu genießen, oder sie hatten einfach Hunger und streunten an den Food-Stands am Singapur-Fluß entlang, um sich noch einen indischen Biryani oder einen Teller scharfgewürzter chinesischer Nudeln zu gönnen.
    Hier war alles still. Die riesigen Lagerhallen blieben im Dunkel. Nur weiter östlich, beleuchtet von seinen Spots, strahlte das World Trade Center wie ein einziger weißer, riesiger Eisblock.
    Wo blieb das Boot, zum Teufel!
    Maya warf einen Blick auf ihre Uhr: Ein Uhr fünf.
    Sie rührte sich nicht. Vor der dunklen Zementmauer war sie in ihrem schwarzen, leichten Jogging-Anzug und mit der schwarzen Strumpfmaske weniger als ein Schatten.
    Wieder blickte sie hinaus aufs Wasser, zögerte und griff dann entschlossen zum Matchsack. Der Pier lag leer. Die Kräne sahen aus wie Scherenschnitte. Geräuschlos und schnell legte sie die zehn Meter hinter sich, die die Mauer von dem ersten Container trennten. Weiter rechts gab es eine Öffnung im Betonrand, von der aus eine eiserne Leiter hinab zum Wasser führte.
    Sie legte den Trageriemen quer über Schulter und Brust, so daß sie die Arme frei hatte, und kauerte sich nieder.
    Fetzen von Musik wehten über das Wasser, begleitet von Geschrei und Gelächter. Es war ein ›Tongkang‹, eine der großen chinesischen Vergnügungs-Dschunken der Eastwind Cruises, die drüben am Clifford Pier zu ihren ›Singapur at Night‹-Dinnerfahrten ablegten. Das beleuchtete Ding, das dort herankroch, wirkte mit seinen schimmernden, goldgeschnitzten Drachen, den rotlackierten Holzdekorationen so unwirklich wie ein Plastikspielzeug. Schattenrisse am Heck. Köpfe in den Fenstern. Und die Bugwelle, die all die Farbflecken der bunten Lichter zu verrückten Kreiseln zerriß. Hinter dem Heck der Dschunke aus den tanzenden roten, gelben und grünen Reflexen aber kam ein Boot. Sehr schmal. Sehr klein. Sehr schwarz … Leise glitt es dem Pier entgegen.
    Sie beugte sich nach vorne.
    »Bila bis dalang?«
    Eine Männerstimme. Die Worte waren malaiisch.
    »Tiaphari«, gab sie den vereinbarten Code.
    Eine Hand streckte sich nach oben. Sie ergriff sie und sprang auf den schwankenden Bootskörper hinab.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Und es bleibt dabei?«
    »Ja.«
    Der Mann im Boot trug eine dunkle Baseball-Mütze, deren Schild nach hinten zeigte. Er hatte aufmerksame, schräge, schwarze Augen. Er war kein Malaie, er war Chinese. Er hockte sich auf den Steuersitz und schaltete in den Rückwärtsgang. Zunächst hielt er den Motor auf niedrigen Touren, nun wendete er das Boot und gab Gas.
    »Wie heißt du?«
    »Ist das wichtig? … Willst du das wirklich wissen?«
    Es waren vier Sampans.
    Sie lagen etwa eine Meile vom Ufer in einem Abstand von etwa sechshundert Metern am Hafengrund vertäut. Plumpe, mit Außenbordern bestückte Lastkähne.
    Mittschiffs oder am Heck waren die schachtelförmigen Rümpfe mit einem halbrunden Aufbau aus Strohmatten – oder segeltuchbespannten Halbbögen versehen. Das größte der vier Schiffe besaß eine große, hölzerne Kabine.
    Zwischen den Gesellschaften, die die Hafenrundfahrten betrieben und den Sampan-Besitzern bestand ein Abkommen: Die Rundfahrtboote legten bei den Sampans einen kurzen Stop ein, damit die Touristen den Anblick der Stadt und des Hafens mit einem typisch chinesischen, malaiischen oder indischen Imbiß abrunden konnten. Das Abkommen war vor zwei Jahren geschlossen worden und unterlag wie alles in Singapur nicht nur amtlicher Genehmigung, sondern auch strengen Kontrollen.
    Auf den ersten dieser Sampans, den Sampan mit der Kabine, steuerte das Boot nun zu.
    Etwa hundert Fuß vor dem schwarzen, niederen Körper nahm der Mann Fahrt weg und ließ das flache Rennboot treiben.
    »Ich geh allein an Bord«, sagte Maya.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage.«
    Er befestigte die Leine an der Außenbordmotor-Halterung des Sampans. Er tat es rasch und geschickt, und sie sah, daß er zarte, schmale,
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