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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Musik.
    Er stand jetzt vor dem Elfenbein-Relief des Gottes Yo. Der Gott stammte aus irgendeinem Tempel der alten Heimat. Der Alte war mächtig stolz gewesen, als er ihn kaufte. Ein fetter Kerl mit weißem Riesenbauch und brutalem Grinsen. Unten aber, entschlossen wie ein Soldat die Standarte, hielt er mit beiden Fäusten seinen Penis fest.
    Der Gott hatte einen Vorteil: Man brauchte ihn nur zurückzuklappen, schon kam dahinter ein Stahltresor zum Vorschein.
    Kim schob den Schlüssel ein und öffnete.
    Da waren sie. Das eine Fläschchen enthielt Pulver und war beinahe leer, das andere war noch zu dreiviertel mit einer braunen Flüssigkeit gefüllt, die jetzt im Licht leuchtete. Durch die dünnen Baumwollhandschuhe fühlte Kim etwas die Wärme, wie ein feines Brennen. Vielleicht war es der Gedanke an die Wirkung der Tröpfchen. Oder an die Irrsinns-Summe, die der Alte dafür ausgab.
    »Was Tiger-Essenz wohl kostet, Gold-Daumen?« Der Apotheker in der Nankin-Street hatte lachend seine braunen Stummelzähne gezeigt. »Reine, echte Tiger-Essenz? Die Götter haben dich zwar gesegnet, als sie dich zum Diener eines der reichsten Männer dieser Stadt gemacht haben, Gold-Daumen – aber Tiger-Essenz?! Die könntest du trotzdem nie bezahlen. Also, was interessierst du dich für sie? Weil du eine Frau hast, deren Brunnen versiegt ist? Oder kitzelt deinen Yang ein junges Mädchen? Ist es das?«
    Die Apotheke in der Nankin-Street war keine moderne Apotheke wie die anderen, eher ein Kellerloch, in einem der wenigen übriggebliebenen alten Häuser von China-Town. Über eine Treppe mußte man hinabsteigen. Es roch dort wie in einem malaiischen Bazar. Der Teufel mochte wissen, wieso sie den alten Longe Fe noch nicht ausgehoben hatten. Wahrscheinlich hatte er seine Beziehungen. Kim liebte die Höhle. Gegen den Apotheker ließ sich sowieso nichts sagen. Er sah aus wie eine Sardine mit weißem Kinnbart, aber er hatte mit dem, was er da zusammenbraute, seine Frau und seine Söhne kuriert. Er war ein weiser Mann.
    »Sag schon, Kim! Gibt es noch einen anderen Grund als eine frische, fruchtige, feuchte siebzehnjährige Himmelspforte?«
    »Neugierde.«
    »So, Neugierde? Nun, Neugierde ist der Schlüssel zu vielen Wahrheiten. Doch, mein Sohn, wie soll ich sie in diesem besonderen Fall befriedigen? Es ist wie mit so vielen Medizinen. Für den einen scheinen sie gemacht, dem anderen helfen sie nicht. Tiger-Essenz kann alles kurieren. An was denkst du?«
    »An dasselbe, woran du gedacht hast, Verehrungswürdiger.«
    »So?« Wieder das Lachen. »Kim, ich kenne Männer, so alt, so schwach, daß sie sich kaum mehr über die Straße bewegen konnten. Sie nahmen die Essenz, und es wuchs ihnen ein Yang, hart und dauerhaft wie Eisen.«
    Er sandte eine Ladung in seinen Spucknapf.
    »Nur eines ist Bedingung, Kim: Es müssen freie und männliche Tiger gewesen sein, deren Körper geopfert wurde.«
    »Wo gibt es die Essenz noch? Hier vielleicht?«
    Der Apotheker hatte sein Gesicht zu einer abwehrenden Grimasse verzogen. »Sie ist verboten. Streng verboten. Also geh, Kim, und laß mich in Frieden.«
    Gold-Daumen Kim ordnete die beiden Flaschen Roederer Cristal im Eiskübel. Dann rieb er die Fläschchen mit dem geheimnisvollen Inhalt noch einmal sorgfältig sauber. Champagner und Tiger-Essenz. Und heute nacht mußten es gleich drei Weiber sein. Dieses Monster von Wang Fu, dieser Kinderschänder, dieser Hurenficker, vierundsiebzig war er! Und du? Gerade neunundfünfzig. Was wäre, wenn ich mir nun selbst zehn Tropfen auf den Zucker gäbe? So viel nimmt er doch immer? Oder zwanzig … Kim, der Tiger … Doch er wußte, er würde es nie tun. Aus Angst vor ihm, dem Mandarin? Wang Fu mochte sein wie er wollte, ruten- und weiberbesessen, aber einen Job wie diesen würde er, Kim, nie wieder bekommen.
    Er stellte die beiden Fläschchen auf die Silberplatte. Da standen sie nun und leuchteten, standen zwischen Honigplätzchen und Ingwergebäck. Wo steckte der Alte? Wenn er nicht …
    Kim wirbelte herum. Karaoke-Trommeln donnerten in die Streichermusik. Gelächter. Wasserrauschen. Und das alles so plötzlich, als habe jemand das Fenster eingeschlagen.
    Es war nicht das Fenster, es war die große Tür. Die Tür zum Paradies. In ihrem Rahmen stand ein Mädchen.
    »Spinnst du? Bei allen Teufeln, Teeny-Sue, du mußt doch wissen, daß du nicht einfach hier rein kannst.«
    »Muß ich das? Wirklich? Na, wunderbar … Aber du kannst mir glauben, es interessiert mich
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