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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vierhundertfünfzigtausend Dollar. Wenn das kein Geschäft ist!«
    »Und wie wollen sie kontrollieren, daß ihre Tropfen, Pülverchen und Arznei-Brühen nicht von irgendeiner Kuh, einem Kalb oder einem Schwein stammen?«
    Rick hatte keine Antwort darauf.
    Gut, die Nashornhörner, die Maya in einem Lagerhaus in Khartum gefilmt hatte, wurden gleichfalls zu astronomischen Summen gehandelt. Wenn der Schwanz nicht mehr wollte, hatten es die Araber mit den Nashörnern, die Chinesen mit den Tigern. Die sexbesessenen Scheichs am Golf verfügten sicher über irgendwelche Experten, die ein Stück Nashornhorn von einem Kamelknochen oder Elefantenhorn unterscheiden konnten. Rick Martin hatte ihr schließlich eine Erklärung angeboten, die plausibel klang: »Du kennst die Chinesen, Maya. Wenn es um Geld geht, verlieren sie jeden Humor … Die Leute, die sich Tiger-Medizin leisten, können auch dafür sorgen, daß es wirklich Tiger-Medizin ist.«
    Darin allerdings hatte Rick recht.
    »Hör zu, Maya, ob absurder Aberglaube, fantastisch oder verrückt, eines jedenfalls steht fest: Der Grund, warum die letzten freilebenden Tiger dieser Erde erbarmungslos abgeschossen werden, liegt in der Sex- und Traditionsbesessenheit einer Handvoll reicher, seniler chinesischer Millionäre.«
    Das stimmte, aber die Wurzeln lagen tiefer. Sie kannte die Chinesen besser als er. Er hatte zwar auch darin recht gehabt, daß die Schicht, die auf die Tiger-Medizin baute, mit dem wachsenden Reichtum in den aufstrebenden südostasiatischen Staaten immer größer wurde, aber der Glaube an ›Da Scheng‹, wie die Chinesen den Tiger nannten, der Glaube an den großen Geist des Waldes, an seine alle anderen Lebewesen magisch überstrahlende Kraft, lebte seit Jahrtausenden in den Herzen der Chinesen. Des Tigers Stirnmuster bildete das Schriftzeichen ›Wang‹, hatte sie einmal in einem Gedicht gelesen. Und das Schriftzeichen ›Wang‹ steht für König! … Der König konnte helfen. Er half in jeder Not, bei allen Krankheiten. Und wurde in einer so tief paternalistischen Gesellschaft wie der chinesischen nicht die Erhaltung der männlichen Potenz seit altersher mit der Erhaltung von Macht und Ansehen gleichgesetzt?
    Sie ließ den dünnen Strahl ihrer Stablampe in die Höhe gleiten, stieß einen leisen Laut der Überraschung aus und verhielt sich dann ganz ruhig.
    Halb verborgen vom Metallrahmen des Schrankes starrte aus dunklen, riesigen Augenlöchern ein gewaltiger Tigerschädel auf sie herab. Er war vollkommen intakt. Die bedrohlichen Reißzähne funkelten sie an. Am Kiefer war ein schmaler Streifen Karton befestigt, eine Art Etikett. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen.
    »Tenenga«, las sie in chinesischer Schrift. »24.10.1994.«
    Tenenga? dachte sie.
    Ausgerechnet …
    Sie nahm die Kamera und ließ sie laufen. Die Berührung tat ihr gut. ›Fantastisch‹ oder nicht, – sie war jetzt froh, daß sie hier stehen und ihre Arbeit tun konnte …
    Im Südosten, nicht allzu weit von der Stelle, an der die Sampans vertäut waren, ragten die Wolkenkratzer Singapurs gleich dunklen Säulen über die Marina Bay. Einzelne Lichtzeilen durchbrachen die schwarze, strenge Glätte der Fassaden.
    Im zweiundvierzigsten Stockwerk des Silver Towers kontrollierte Gold-Daumen Kim Long den Sitz seiner weißen Diener-Livree. Er sah auf die Uhr. Es war ein Uhr fünfundzwanzig.
    »Ich komme um eins. Und dann will ich im ›Paradies‹ alles so haben wie immer. Ist das klar?«
    Der Chef war für seine Pünktlichkeit so berühmt wie berüchtigt. Philip Wang Fu hielt einen ganzen Stab in Trab, damit er seine Termine einhalten konnte, seine Besuche, Besichtigungen, Konferenzen, Sitzungen …
    Für die ›Sitzung‹, die heute nach Mitternacht in Wang Fus Spielplatz im Penthouse des Silver Towers stattfinden sollte, waren zwei Personen verantwortlich: Philip Wang Fus Privatsekretärin und Nichte Xia Yu und er, Gold-Daumen Kim Long, Wang Fus dritter persönlicher Steward.
    Er holte den Seidenkimono aus dem Ankleideschrank. Blau. Mit grünen Reihern. Er hängte das Prunkstück sorgsam auf den ›stummen Diener‹ …
    Und jetzt die Hauptsache. Dazu brauchte er den Schlüsselbund mit den Patentschlüsseln.
    Er hakte ihn sich von der Gürtelschlaufe, ging an der Sitzgruppe vorbei, stellte dabei mit Schrecken fest, daß er die Musik vergessen hatte, schaltete hastig auf CD, und schon quoll es heraus, füllte süßlich-sanft den Salon: Streicher, Klavier. Ausländischer Teufelsdreck von
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