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Vier Morde und ein Hochzeitsfest

Vier Morde und ein Hochzeitsfest

Titel: Vier Morde und ein Hochzeitsfest
Autoren: Janet Evanovich
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    Früher, als kleines Mädchen, habe ich beim Anziehen meiner Barbiepuppe immer die Unterhose weggelassen. Äußerlich war sie ganz Dame: geschmackvolle Plastikstöckelschuhe, maßgeschneidertes Kostüm. Darunter war sie nackt. Heute bin ich Kautionsdetektivin, vornehm ausgedrückt »Beauftragte zur Ergreifung flüchtiger Personen«, beziehungsweise Kopfgeldjägerin. Ich spüre Leute auf, tot oder lebendig. Jedenfalls versuche ich es. Und als Kautionsdetektivin komme ich mir auch manchmal vor wie eine Barbiepuppe, mit nichts drunter an. Man trägt ein Geheimnis mit sich herum. Man schneidet auf, aber es ist nichts dahinter. In Wahrheit steht man nackt da, ohne Unterhose. Vielleicht ergeht es nicht allen so, die Straftätern auf der Spur sind, aber ich habe oft das Gefühl, im Evaskostüm herumzulaufen. Natürlich nur im übertragenen Sinn.
    Momentan allerdings war alles noch viel schlimmer, ich war verzweifelt. Meine Miete war fällig, und der Justiz von Trenton waren die zahlungswilligen Ganoven ausgegangen. Ich stellte mich breitbeinig vor Connie Rosollis Schreibtisch hin, legte beide Hände auf die Tischplatte, aber so sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme wie die von Minnie Mouse klang. »Was soll das heißen, es gibt keine NVGler? Es gibt doch sonst immer welche.«
    »Tut mir Leid«, erwiderte Connie. »Wir haben für viele Leute eine Kaution gestellt, aber es ist keiner abgehauen. Das muss am Vollmond liegen.«
    NVG ist das Kürzel für »Nicht vor Gericht erschienen«.
    NVG ist die absolute Todsünde in unserem Rechtssystem, aber das hält die Leute trotzdem nicht davon ab, sie zu begehen.
    Connie schob mir einen Schnellhefter zu. »Das ist der einzige NVGler, den ich zurzeit habe. Aber bei dem ist nicht viel herauszuholen.«
    Connie ist die Büroleiterin von »Vincent Plum, Kautionsbürgschaften«. Sie ist ein paar Jahre älter als ich, also Anfang dreißig. Sie trägt ihr Haar toupiert, lässt sich von keinem was gefallen, und wären ihre Brüste mit Geld aufzuwiegen, wäre sie so reich wie Bill Gates.
    »Vinnie ist ganz aus dem Häuschen«, sagte Connie. »Er scheffelt das Geld nur so. Er braucht keine Kopfgeldjäger mehr zu bezahlen und für keine verfallenen Kautionen aufzukommen. Zuletzt habe ich Vinnie so gut gelaunt gesehen, als Madame Zaretsky wegen Zuhälterei und Unzucht verhaftet wurde und ihren dressierten Hund als Pfand für die Kaution hinterließ.«
    Mir schauderte bei dem Bild, das sich vor meinem geistigen Auge auftat, denn Vincent Plum ist nicht nur mein Arbeitgeber, er ist auch mein Vetter. An einem Tiefpunkt meines Lebens hatte ich ihn durch gemeine Erpressung dazu gebracht, mich als Beauftragte für die Ergreifung von Kautionsflüchtlingen einzustellen, und allmählich hatte ich Gefallen an dem Job… meistens jedenfalls. Das soll nicht heißen, dass ich mir irgendwelche Illusionen über Vinnie mache. Beruflich gesehen, ist Vinnie ganz in Ordnung, privat ist er so etwas wie ein Furunkel an unserem Familienstammbaum.
    Vinnie ist Kautionsbürge, das heißt, er zahlt dem Gericht eine Kaution als Bürgschaft dafür, dass der Angeklagte zum Prozesstermin auch wieder erscheinen wird. Sollte der Angeklagte abhauen, ist Vinnie sein Geld los, und weil das keine sonderlich erhebende Vorstellung für ihn ist, schickt er mich los, um den Angeklagten aufzuspüren und ihn wieder vor den Kadi zu schleppen. Mein Honorar beträgt 10 Prozent der Kautionssumme, und das kassiere ich nur bei Erfolg.
    Ich schlug den Hefter auf und las mir die Kautionsvereinbarung durch. »Randy Briggs. Verhaftet wegen verdeckten Mitführens einer Waffe. Zur Anhörung nicht vor Gericht erschienen.« Die Kaution betrug siebenhundert Dollar. Das hieß, ich bekam siebzig Dollar. Keine stolze Summe, um dafür bei der Verfolgung einer Person, die bekanntermaßen eine Waffe bei sich führte, sein Leben zu riskieren.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich zu Connie, »der Kerl hat ein Messer bei sich.«
    Connie las sich das Verhaftungsprotokoll durch. »Hier steht, es sei ein kleines, stumpfes Messer gewesen.«
    »Was heißt klein?«
    »Zwanzig Zentimeter.«
    »Das ist ganz schön lang.«
    »Den übernimmt sonst keiner«, sagte Connie. »Ranger nimmt sowieso nichts unter zehn Riesen an.«
    Ranger ist mein Lehrmeister und einsame Spitze im Aufspüren von Personen. Außerdem scheint er nie dringend Geld zu benötigen, um zum Beispiel seine Miete zu bezahlen. Ranger verfügt über andere
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