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0846 - Im Namen des Leibhaftigen

0846 - Im Namen des Leibhaftigen

Titel: 0846 - Im Namen des Leibhaftigen
Autoren: Jason Dark
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Der Richter war ein Farbiger wie der Angeklagte. Nur stammte der aus Port au Prince, während der Richter ein echter Brooklyner war, einer, der von unten kam, dem auch die Probleme der Farbigen nicht fremd waren, der viel Verständnis aufbrachte und schon durch seine Urteile Wogen geglättet hatte, dem aber jedes Verständnis für die Taten fehlte, die Woorie Cabal zur Last gelegt wurden. Sie waren einfach zu schlimm gewesen, zu grauenhaft, und der Staatsanwalt, der in diesem Prozeß viele Punkte gewonnen hatte, hatte das richtige Wort dafür gefunden. Er hatte sie als dämonisch bezeichnet und nach dieser Aussage ein Leuchten in den Augen des Angeklagten hinterlassen, denn mit diesem Begriff war er wohl einverstanden gewesen.
    In New York gab es die Todesstrafe nicht. In anderen Staaten wäre der Killer entweder auf dem elektrischen Stuhl oder in der Gaskammer gelandet. Ob jedoch die zu erwartende lebenslängliche Strafe besser war als der Tod, mußte man dahingestellt sein lassen, denn auch im Zuchthaus sprach es sich schnell herum, wer da eingeliefert worden war, und da konnte Cabal nicht mit Verständnis rechnen. Wie er getötet hatte, war einfach zu unmenschlich gewesen.
    Der Richter und die Geschworenen nahmen ihre Plätze ein, und die Zuschauer setzten sich.
    Niemand fotografierte. Es waren auch nur wenige Journalisten anwesend. Man hatte ihre Zahl bewußt klein gehalten, denn der Saal war klein, und man wollte keinen Aufstand der Pressefritzen.
    Bevor Gordon Mazka das Urteil verlas, schaute er dem Angeklagten ins Gesicht. Er kannte es, er kannte es so gut, daß es ihn schon in seinen Träumen verfolgt hatte. Er kannte das wirre Haar, die kalten Augen, die dicken Lippen, die eingefallenen Wangen und das Gebiß, ja, das Gebiß.
    Daran wollte Mazka nicht denken…
    Cabal blieb gelassen. Er trug ein dunkelblaues Hemd und helle Jeans, die er extra hatte waschen lassen. An seinen Ohrläppchen schaukelten zwei goldene Ringe.
    Gordon Mazka trank noch einen Schluck Wasser, um eine freie Kehle zu bekommen. Daß sie den Killer überhaupt hatten stellen können, verdankten sie einem Zufall, doch daran wollte er jetzt nicht denken. Er konzentrierte sich auf seine Urteilsverkündung und auf die Begründung.
    Noch einmal - zum letzten Mal - ließ er die Schandtaten dieser menschlichen Bestie Revue passieren und schaute zu, wie sich so mancher Schauer auf dem Gesicht des einen oder anderen Zuhörers bildete. Selbst der Pflichtverteidiger, der Cabal zugewiesen war - ein junger Mann noch am Anfang seiner Karriere -, hielt den Blick gesenkt und auf seine gefalteten Hände gerichtet. Es sah aus, als würde er beten, und vielleicht tat er das auch.
    Gordon Mazka redete wie ein Automat. Er hatte in der Nacht noch geübt und dabei versucht, die Emotionen zu ersticken. So ganz gelang es ihm nicht. Hin und wieder rieb er mit einem weißen Tuch über seine Stirn, und es gab auch einige Stellen, die er trotz aller Übung noch einmal vorlesen mußte, was ihm niemand übel nahm, denn dieser Text war einfach zu grauenhaft.
    Nach etwa einer Viertelstunde kam er zum Schluß der Rede. Er sprach davon, daß dieser Mörder der menschlichen Gemeinschaft entrissen werden mußte. Daß er nie mehr die Chance erhalten dürfte, seinem verfluchten Trieb nachzugehen. Er nahm das Urteil indirekt schon vorweg, und als die Zuhörer aufstanden, da warteten sie nur auf die Bestätigung.
    Richter Gordon Mazka verurteilte den Mörder Woorie Cabal zu dreimal lebenslänglich. Zudem war Sicherheitsverwahrung angeordnet worden, und Cabal würde nie mehr freikommen, auch wenn er einmal begnadigt werden sollte.
    Das Urteil war im Namen des amerikanischen Volkes gesprochen worden, und das Volk würde dankbar sein.
    »Angeklagter, Sie haben das letzte Wort«, sagte der Richter, dessen Stimme leicht heiser klang.
    Wieder hielt die Stille im Gerichtssaal Einzug. Die Millionenstadt New York schien weit weg zu sein. Sie alle hier schwebten über der Halbinsel Manhattan, einem brodelnden Moloch, der niemals zur Ruhe kam.
    Der Verteidiger stieß seinen Mandanten an. Cabal kannte die Geste. Er stand nahezu provozierend langsam auf, schaute zuerst hinter sich, wo die Zuschauer in den Bänken saßen, und nicht wenige erschauderten, als der Blick dieser kalten Killeraugen über ihre Gesichter streifte, als wollte sich der Mörder jeden einzelnen genau merken. Dann drehte er sich wieder um und konzentrierte sich auf die Menschen, die vor ihm saßen, den Richter, den
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