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Schulterwurf

Schulterwurf

Titel: Schulterwurf
Autoren: Andreas Schlueter , Irene Margil
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Aufregende Neuigkeiten
    Normalerweise beruhigte es Linh sehr, ihre Pflanzen anzuschauen, zu beschneiden und zu gießen. Heute nicht. Linh war so aufgeregt
     wie schon lange nicht mehr. Nicht einmal ihr neues Bonsai-Bäumchen brachte sie auf andere Gedanken. Sie stellte es zurück
     auf die Fensterbank. Obwohl es so klein war, fand es dort kaum Platz. Linhs Zimmer glich einem überfüllten Gewächshaus. Ein
     Topf mit Grünpflanzen reihte sich an den anderen. Aus diesem Grund bekam Linh seit geraumer Zeit auch nur noch Miniatur-Pflanzen
     in kleinen Schalen geschenkt: Bonsais, die kaum wuchsen. Sobald sich trotzdem kleine, zarte Triebe bildeten, wurden sie mit
     Spezialwerkzeugen entfernt. Es gab in diesem Gewächshaus-Zimmer eigentlich nur eine einzige pflanzenfreie Stelle: dort, wo
     an der Wand zwischen all dem Grün das Porträt eines alten Mannes hing. Es war eine Schwarz-Weiß-Fotografie als gerahmtes Poster.
     Darunter stand: Yamada Yuuto.
    Linh drehte den Bonsai auf der Fensterbank optimal ins Licht, blickte hinaus und sah Michael. Was will der denn hier?, fragte
     sie sich. Im gleichen Moment fiel es ihr siedend heiß ein. Die Mathe-Übungen! Sie hatte den anderen versprochen, den Stoff
     der letzten Woche noch mal Schritt für Schritt zu erklären. Das hatte sie total vergessen!
    Hinter Michael gingen Ilka und Lennart. Und von hinten kam Jabali, wie immer im Laufschritt. In beiden Händen trug er etwas,
     das Linh erst auf den zweiten Blick als Eis erkannte. Jabali leckte links und rechts und links und rechts, im Rhythmus seiner
     Laufschritte. Das machte er so leicht, als sei es eine eigene Disziplin: Eisleckenlaufen.
    Wie so oft mussten Lennart und Michael mal wieder ihre Kräfte messen und sausten plötzlich los. Obwohl der Athlet Michael
     gegen den Sprinter Lennart nicht die geringste Chance besaß, einen Wettlauf zu gewinnen, ließ er sich immer wieder darauf
     ein.
    Ilka blieb stehen, wartete auf Jabali und nahm ihm ein Eis ab. Kaum hatte sie das erste Mal daran geschleckt, klingelte es
     schon an Linhs Tür. Lennart und Michael waren angekommen. In dieser Reihenfolge.
    »Das nächste Mal gewinne ich«, hörte Linh Michaels Stimme schon im Treppenhaus.
    »Ja«, lachte Lennart. »Aber nur, wenn ich beide Beine in Gips habe.«
    Linh öffnete die Tür. Vor ihr stand Michael. Konditionell war er besser als Lennart. Also hatte er sich die Revanche beim
     Treppensteigen geholt.
    »Hallo, Superhirn!«, begrüßte er Linh. »Nett, dass du uns mal wieder aus der Klemme hilfst.«
    Michael war nicht nur in Mathe schwach. Er hatte in einigen Schulfächern Schwierigkeiten und saß irgendwie ständig in der
     Klemme. Er stand auf der Schwelle und stützte sich mit beiden Händen am Türrahmen ab. In dieser angespannten Haltung waren
     seine Armmuskeln, auf die er so stolz war, deutlich zu sehen. Am liebsten trug er deshalb auch ärmellose Shirts. Ebenso gern
     machte der schmächtige, aber flinke und wendige Lennart sich darüber lustig. Er tauchte unter Michaels Arm durch und lästerte:
     »Heute mal wieder Muskeltraining fürs Gehirn? Wird auch Zeit!«
    »Noch so ’n Spruch   – Kieferbruch!«, konterte Michael. »Als ob du Mathenachhilfe nicht nötig hättest.« Unter seinem anderen Arm tauchte Ilkas
     roter Haarschopf auf. Tausende kleine rote Löckchen,dicht an dicht gedrängt. Sie glitt wie ein Fisch an ihm vorbei. Gleich hinter ihr folgte Jabali.
    »Wenn Linh unsere Mathelehrerin wäre, wäre es glatt mein Lieblingsfach«, schmeichelte er Linh.
    Und schon waren sich Michael und Lennart einig. »Schleimer!«, riefen sie wie aus einem Munde.
    »Ich fand es ein nettes Kompliment«, freute sich Linh. Und wandte sich an Jabali. »Aber du hättest deiner Lieblingslehrerin
     ruhig ein Eis mitbringen können.«
    Jabali erschrak. Daran hatte er wirklich nicht gedacht.
    Michael und Lennart grinsten.
    Da rief Ilka aus Linhs Zimmer: »Sag bloß, du hast schon wieder einen neuen Bonsai?«
    Linh strahlte: »Ist der nicht toll?«
    »Ja«, sagte Lennart, als er mitten in Linhs Dschungel stand. »Du hast ja sonst kaum Pflanzen.«
    »Wenn du vergnügt sein willst, umgib dich mit Freunden, wenn du glücklich sein willst, umgib dich mit Blumen«, zitierte Linh.
    Michael stöhnte. »Wieder einer deiner chinesischen Sprüche?«
    »Japanisch«, korrigierte Linh. Sie liebte asiatischeWeisheiten. Viele kannte sie durch ihren Kampfsport und sie verfügte über ein unerschöpflich großes Repertoire. Zum Leidwesen
     von Michael,
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