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Ich wollte Hosen

Ich wollte Hosen

Titel: Ich wollte Hosen
Autoren: Lara Cardella
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aufnehmen.
Er hatte recht, völlig recht, aber ich war bereit, überallhin zu gehen, anstatt in dieses Haus zurückzukehren. Als er versuchte, mir den Weg abzuschneiden, fiel mir ein, daß in dieser Gegend das Haus von Angelina Carasotti war. Ich fing wieder an zu laufen, konnte ihm ausweichen, und endlich kam ich in eine schmale Gasse, durch die man mit dem Auto nicht durchkam. Aber er sah mich und stieg sofort aus.
Ich war vor der Haustür von Angelina und konnte gerade noch die Klingel läuten, da war er schon da. Ich fing an zu schreien und nach Angelina zu rufen, während er mir Fußtritte versetzte und an mir zog. Der Ingenieur beugte sich zum Fenster heraus und fragte, was los wäre.
» Sugnu Annetta! Angelina! Aiutatimi! Mi vò ammazzarriii! Aiutu! Aiutu! Ich bin's, Annetta! Angelina! Helft mir! Er will mich uuumbringen! Hilfe! Hilfe!«
Ich schrie so laut ich konnte, um auch mit dem Klang meiner Stimme ihre Hilfe herbeizurufen.
»Lassen Sie sie los! Lassen Sie sie sofort los, oder ich rufe die Polizei!«
» Lei si facissa i cazzi sua, cà se no, puru ppi lei ci ni sù!!! Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Dreck, sonst hab' ich auch für Sie was auf Lager!«
Da rief der Ingenieur nach seiner Frau und sagte, sie solle die Polizei benachrichtigen, während er mir zu Hilfe eilte. Ich hörte die überraschte Stimme seiner Frau fragen, was los wäre.
Der Ingenieur kam sofort herunter, im Morgenmantel, mein Onkel lockerte schon den Griff, um etwas zu suchen, mit dem er ihn treffen konnte. Er fand eine Eisenstange und erwartete ihn an der Haustür.
Ich schrie dem Ingenieur zu, er solle aufpassen, ich schrie: » Attentu! Attentu! Achtung! Achtung!«, und dann lief ich, um Hilfe zu holen.
Die Straßen menschenleer! Hunde, nur Hunde kamen vorbei!
Dann endlich ein Auto. Ich stellte mich mitten auf die Straße und schrie, sie sollten stehenbleiben: » Aiutu! Aiutu! S'ammazzunu! S'ammazzunu! ... Viniti ... Curriti! Hilfe! Hilfe! Sie bringen sich um! Sie bringen sich um! ... Kommt ... Kommt schnell!«
Sie waren zu dritt. Sie liefen her, um meinen Onkel zu stoppen, der dem Ingenieur mit dieser Eisenstange in der Hand nachlief ... Er hatte ihn schon an einer Schulter getroffen und schrie ihn an: » Curri, ah? Curri, curnutu? Da läufst du, ha? Da läufst du, du Hahnrei?«
Auf dem Balkon riefen die Frau und Angelina weinend um Hilfe. Schließlich kamen auch die Polizisten, die drei hielten noch immer meinen Onkel fest, der mit den Füßen nach ihnen trat und fluchte.
Wir gingen alle aufs Präsidium. Sie wollten alles von mir wissen, wer ich war, wer meine Eltern waren, warum ich mich im Hause meines Onkels aufhielt, wo meine Tante war ... Dann wollten sie meine Eltern benachrichtigen, trotz meiner flehentlichen Bitten und der Beruhigungen von Angelina und ihrer Eltern.
Der Ingenieur und seine Frau sagten immer wieder, wenn es Probleme gäbe, sollte ich bei ihnen zu Hause bleiben. Sie überzeugten mich, gegen meinen Onkel Anzeige wegen versuchter Notzucht zu erstatten, und sie behandelten mich als Mensch; sie sagten zu mir, daß nicht einmal Tiere solche Dinge tun und daß er bestraft werden müsse. Auch sie kamen, meine Eltern: Mein Vater mit seinem anklagenden Blick - ich hatte einen Skandal verursacht - wäre gern über mich hergefallen, aber er hielt sich zurück; meine Mutter hielt sich nicht zurück, sie sprang sofort auf mich los, knurrte mir etwas zu und packte mich mit den Zähnen am Arm nach Art eines hungrigen Raubtiers, sie sah aus wie eine Wölfin. Aber der Ingenieur hinderte sie daran weiterzumachen, und sie mußte den Kopf von der »Wildfütterung« heben. Sie fragte ihn, was er von ihr wolle, wieso er sich in die Angelegenheiten unseres Hauses mischte, ob es ihm vielleicht nicht reichen würde, daß seine Tochter ein engelgleiches Mädchen in eine » buttana strafalaria , eine schamlose Nutte« verwandelt hätte.
Der Ingenieur sagte, sie solle sich beruhigen, niemand habe das Recht, irgend jemanden zu verprügeln, geschweige denn ein Kind, er würde es jedenfalls nicht zulassen, daß sie mich anrührten.
Angelina und ihre Mutter zogen mich inzwischen beiseite, in ihre Nähe, strichen mir die Haare glatt und sagten mir immer wieder, ich sollte mir keine Sorgen machen. Diese Nacht und viele weitere schlief ich bei ihnen zu Hause. Sie behandelten mich sehr gut, als wäre ich Angelinas jüngere Schwester, die wiederum mir ihre Kleider lieh und mich mitnahm, wenn sie ausging.
Das war ein ruhiger Monat für mich: Ich
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