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Ich Will Ihren Mann

Ich Will Ihren Mann

Titel: Ich Will Ihren Mann
Autoren: authors_sort
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vor fast zwanzig Minuten gewesen, aber Lilian war froh, die Zeit nutzen zu können, um ihre Fragen zu ordnen und die Antworten zu überfliegen, die sie bei den Interviews mit anderen Anwälten hatte sammeln können. Von allen Büros, die sie an diesem Nachmittag besucht hatte, war dies mit Abstand das unordentlichste. Sie hatte noch nie so viele Papiere und Bücher auf scheinbar diffuse Weise herumliegen sehen. Der große Eichenholzschreibtisch war überschwemmt mit Akten und Dokumenten, und die Bücherregale waren zum Bersten vollgestopft. Selbst in der Besucherecke, wo zwei grün-blau gestreifte Sessel einen runden Glastisch flankierten, türmte sich Fachliteratur, und Aktenstöße kletterten wie Efeu an den Wänden empor. Die Bilder waren durchweg modern, nicht uninteressant, doch kühl und distanziert in ihrer kompromißlosen Abstraktheit. Der einzige Hinweis auf Sinn für Humor, den sie entdecken konnte, war eine Lithographie, die auf kahlem Grund nichts weiter zeigte als eine Parkuhr mit der Aufschrift: abgelaufen. Das Bild hing direkt hinter seinem Schreibtisch, und Lilian vermutete, daß es als subtiler Wink für säumige Klienten diente. Sie konnte nirgends Familienfotos entdecken, aber bei einem der erfolgreichsten Scheidungsanwälte der Stadt wären solche wohl auch nicht recht am Platz gewesen.
    David Plumley kam herein und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Lilian taxierte mit schnellem Blick sein blondes Haar, die grünen Augen und das jungenhafte Lächeln, das zu sagen schien: Ich weiß, daß ich unwiderstehlich bin. Dann hatte sie plötzlich das Gefühl, als ob dieParkuhr hinter ihm zu ticken beginne, und sie platzte mit ihrer ersten Frage heraus. Es war genau jene, von der sie ihrer Mutter mit gutdosierter Verachtung versichert hatte, daß sie nicht im Traum daran dächte, sie zu stellen. »Ist es wahr, daß Scheidungsanwälte, die selbst geschieden sind, häufig mit ihren Mandantinnen anbändeln?« Sein mutwilliges Lächeln vertiefte sich. »Die Frage kann ich nicht beantworten«, sagte er schlicht. »Ich war noch nie geschieden.«
    »Wie lange sind Sie schon verheiratet?« fuhr sie fort und blickte auf den altmodischen Goldreif am Ringfinger seiner linken Hand. Ihr schien dieses Symbol überflüssig, denn daß ein Mann, der aussah wie er, unfehlbar verheiratet war, wußte ohnehin jeder, der Augen im Kopf hatte. »Fünfzehn Jahre«, antwortete er mit ausdrucksloser Stimme, und das Lächeln auf seinem Gesicht erlosch. »Tut mir leid, daß Sie warten mußten.«
    »Warten?« Einen verrückten Herzschlag lang hatte Lilian das Gefühl, er spreche immer noch von seiner Ehe. »Ich bin im Konferenzzimmer aufgehalten worden.« Das mutwillige Lächeln kehrte zurück. Es war fast, als könne er ihre Gedanken lesen, als spüre er die plötzliche Unruhe, die ihren ganzen Körper erfaßt hatte. »Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    »Nein, danke«, sagte sie und versuchte, seinem Blick auszuweichen. »Ich hab' schon drei Tassen getrunken.« »Dann bin ich also nicht Ihr erster ... Interviewpartner, meine ich«, setzte er scherzend hinzu, als ihr Blick dem seinen zögernd wieder begegnete.
    »Nein, das sind Sie nicht«, antwortete sie gereizt. Sie waren beide entschieden zu alt für diesen Schlagabtausch. »Herrscht in Ihrem Büro immer solch ein Durcheinander?«
    Seine Stimme klang ebenso gereizt wie die ihre, seine Antwort war so direkt wie ihre Frage. Er hatte ihren Wink verstanden. »Ja«, sagte er. »Also, was kann ich für Sie tun?«
    Sie erklärte es ihm und schlüpfte erleichtert zurück in die Rolle der souveränen Fernsehjournalistin, was ihr die nötige Distanz zu seinen kühlen, grünen Augen verschaffte. Sie mache eine Reportage über die Elite der Chicagoer Juristen und interviewe dazu die drei renommiertesten Kanzleien. (Er bezweifelte ihre Auswahl angesichts der beiden anderen Firmen.) Sie versuche, Einblick in den Tagesrhythmus einer Firma mit einem so breit gestreuten Wirkungskreis wie Weatherby & Ross zu gewinnen. Al Weatherby, ihr erster Interviewpartner, hatte ihr eine allgemeine Einführung gegeben und ihr erklärt, das Fernziel der großen Firma sei es, sich weiter auszudehnen und schließlich den ersten Platz unter den Kanzleien der Stadt einzunehmen. Sie würden fünfundachtzig Volljuristen beschäftigen, hatte er stolz erzählt und vorausgesagt, daß die Zahl der Mitarbeiter binnen fünf Jahren auf einhundert anwachsen werde. Im Laufe der Zeit sollte der Stab proportional zum
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