Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Titel: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
Autoren: Lois Duncan
Vom Netzwerk:
sich kräftiger an, als sie ihn in Erinnerung hatte. »Ich wusste gar nicht, dass du wieder da bist. Deine letzte Karte kam aus Kalifornien. Du hast geschrieben, du würdest auf einem Fischerboot arbeiten.«
    »Stimmt«, sagte Ray. »Aber der Typ, dem das Boot gehört, hat während der Sommermonate eine feste Aushilfe und brauchte mich nicht mehr.«
    »Wie schade«, meinte Julie bedauernd, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte.
    »Nicht so schlimm. Solche Jobs findet man immer wieder. Außerdem hatte ich sowieso vor, mal wieder nach Hause zu kommen.« Er schien darauf zu warten, dass sie sich setzte, also tat sie es. Nicht neben ihn auf die Couch, sondern in den Sessel gegenüber. Er nahm ebenfalls wieder Platz. »Deine Mutter hat mir gerade erzählt, dass du am Smith College angenommen worden bist. Gratuliere! Du musst ganz schön hart dafür gearbeitet haben.«
    »Oh, das hat sie«, erklärte Mrs James stolz. »Du hättest sie nicht wiedererkannt dieses Jahr, Ray. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass du nicht da warst und sie nicht vom Lernen abhalten konntest, oder aus welchem anderen Grund sie diesen plötzlichen Ehrgeiz entwickelt hat, aber ihre Leistungen können sich wirklich sehen lassen.«
    »Wow.« Ray lächelte anerkennend.
    »So.« Mrs James erhob sich. »In der Küche wartet ein Kuchen auf seine Glasur und ihr beiden habt euch bestimmt eine Menge zu erzählen. Wenn ich fertig bin, bringe ich euch ein Stück.«
    »Ich kann leider nicht lange bleiben«, entschuldigte Ray sich.
    »Und ich werde in ein paar Minuten abgeholt«, sagte Julie und vermied es, ihren Exfreund dabei anzusehen, obwohl sie davon ausging, dass er es nicht weiter verwunderlich finden würde, dass sie an einem Freitagabend verabredet war. Bestimmt hatte er sich in Kalifornien auch einen neuen Freundeskreis aufgebaut und andere Mädchen kennengelernt. Sie fragte sich, was er wohl von Bud halten würde, der so gar nicht dem Typ Jungen entsprach, mit denen sie an der Highschool ausgegangen war. Er hatte nicht das Geringste mit Ray gemeinsam, obwohl sie zugeben musste, dass Ray sich seit ihrem letzten Treffen unglaublich verändert hatte. Er wirkte älter. Seine blonden, von der Sonne gesträhnten Haare waren gewachsen, reichten ihm jetzt fast bis zum Kinn, und seine katzengrünen Augen leuchteten in dem braun gebrannten Gesicht noch intensiver. Außerdem hatte er sich, genau wie Helen vorhin schon erzählt hatte, einen Bart wachsen lassen. Er war kurz und stoppelig und sah aus, als würde er in das Gesicht von jemand anderem gehören.
    Nachdem Mrs James hinausgegangen war, entstand ein verlegenes Schweigen.
    »Es ist schön, dass du …«, begann Julie schließlich, und Ray sagte im selben Moment: »Ich musste gerade daran denken …« Sie verstummten beide. Dann versuchte es Julie noch einmal: »Schön, dass du vorbeigekommen bist.«
    »Ich wollte einfach kurz Hallo sagen«, entgegnete Ray. »Ich habe viel an dich gedacht. Ich … ich wollte nur sehen, wie es dir geht.«
    »Gut. Mit geht es gut«, antwortete Julie, und die grünen Augen, die sie so gut kannten, die sie schon in so vielen Momenten beobachtet hatten – auf Partys und Ausflügen, beim Cheerleader-Training, als sie beim Schummeln während eines Mathetests erwischt wurde und kurz vor dem Schulball an einer seltenen Form von Windpocken erkrankt war –, diese Augen schienen ihre Lüge sofort zu durchschauen.
    »Du siehst aber nicht aus, als würde es dir gut gehen«, sagte Ray prompt. »Ehrlich gesagt siehst du fix und fertig aus. Du kannst es nicht vergessen, stimmt’s?«
    »Doch.« Julie zuckte mit den Achseln und setzte eine gleichgültige Miene auf.
    »Das glaube ich dir nicht.«
    »Es ist aber so«, entgegnete Julie. »Ich verbiete mir, daran zu denken.« Sie senkte die Stimme. »Das habe ich kurz nach der Beerdigung so beschlossen. Ich wusste, wenn ich nicht aufhöre, daran zu denken, dann … Ich meine, was hätte es schon gebracht? Man dreht durch, wenn man sich über Dinge den Kopf zerbricht, die man nicht mehr ändern kann.« Sie zögerte. »Ich habe ihm Blumen geschickt.«
    »Wirklich?« Ray wirkte überrascht.
    »Ja. Ich habe im People’s Flower Shop einen Strauß gelber Rosen bestellt und ihn zum Friedhof liefern lassen, natürlich ohne meinen Namen anzugeben. Keine besonders tolle Idee, ich weiß. Geradezu lächerlich angesichts dessen, was wir getan haben. Es war nur … ich hatte das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen, und mir ist nichts
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher