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Rosen für die Kaiserin

Rosen für die Kaiserin

Titel: Rosen für die Kaiserin
Autoren: Guenter Krieger
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Prolog
    P ROLOG
    Ketelwald bei Kleve, Sommer 980
    J
    uttas Vater weinte ohne Unterlass. Leise zwar – eher war es ein Wimmern –, aber Jutta brachte es dennoch um den Schlaf. Gewiss, Mutters Tod hatte auch sie bestürzt. Noch nie war Jutta so traurig gewesen. Aber Mutter ließ sich nicht wieder zum Leben erwecken, indem man Rotz und Wasser heulte, das stand fest. Außer Liebkosungen der noch lebenden Mutter hatte Weinen Jutta noch nie etwas eingebracht. Und selbst damit war es nun vorbei.
    Gegen Mitternacht beschloss das sechsjährige Mädchen, den Vater zu trösten. Sie erhob sich von ihrem Strohlager und tappte zielsicher durch das Dunkel, bis sie Vaters Schlafstätte auf der anderen Seite des Raums erreichte.
    »Papa«, sagte Jutta leise und kniete sich neben ihn.
    Helmprechts Wimmern verstummte abrupt. »Geh wieder schlafen«, forderte er sie auf, um Beherrschung bemüht. Obwohl sie in der Dunkelheit sein Gesicht kaum erkennen konnte, glaubte sie einen Ausdruck von Beschämung darin zu lesen. Vater hatte in ihrem Beisein noch nie geweint. Jutta überhörte seinen Befehl und legte sich neben ihn.
    »Mama ist im Himmel«, sagte sie tröstend.
    Helmprecht schwieg dazu, machte aber keine weiteren Anstalten, sie fortzuschicken, und ließ sogar zu, dass sie sich an ihn schmiegte.
    »Gute Nacht«, sagte Jutta gähnend. Irgendwann weckte das Schreien des Säuglings sie auf. Das erste Licht des frühen Tages fiel durch den Fensterverschlag. Draußen krähte unaufhörlich der Hahn. Jutta ordnete ihre rostroten Haare, so gut sie konnte. Früher hatte das immer die Mutter erledigt.
    Der Vater war schon aufgestanden. Unbeholfen stand er neben der Wiege und blickte auf das Kind hinab, das angefangen hatte zu weinen. Jutta fragte sich, ob er böse auf den kleinen Wurm war. Mutter war unmittelbar nach der Entbindung gestorben. Es war keine einfache Geburt gewesen, und die alte Hebamme hatte nichts tun können, um die Blutung zu stillen.
    »Sie hat Hunger, nicht wahr?«, sagte Jutta.
    Helmprecht nickte nur.
    »Was sollen wir tun, Papa?«
    Darüber schien auch Helmprecht nachzudenken. Jutta fiel auf, dass er es tunlichst vermied, in die Richtung zu schauen, wo die tote Mutter, zugedeckt mit einem Tuch aus Sackleinen, auf einer Bank lag. Niemand wusste, dass Jutta früher schon einmal einen Toten gesehen hatte. Aus gutem Grund hatte sie es bis heute allen verschwiegen.
    »Das Kind braucht eine Amme, die es nährt«, erklärte Helmprecht heiser. »Ohnehin müssen wir ins Dorf gehen, um Pater Roland herbeizurufen. Auf dem Weg werde ich am Forsthaus haltmachen. Beim Förster wohnt eine Amme, weil seine Frau nicht stillen kann. Vielleicht reicht ihre Milch ja auch für deine Schwester.«
    Zum ersten Mal seit dem Tod seiner Frau sprach er mehr als einen Satz. Wirich, der Förster, war ein guter Freund und würde ihm seine Hilfe nicht verweigern.
    Jutta war froh über die Abwechslung, die der Gang ins Dorf mit sich brachte. Obwohl sie noch so jung war, wusste sie, dass sie keine Bäuerin sein wollte. Aber die Mutter hatte ihr einmal gesagt, dagegen könne man nichts machen, man sei dazu geboren, es sei Gottes Wille. Und überhaupt müsse das Leben hart sein, damit man einst ins Paradies gelangen könne. Wenn das stimmte, dachte Jutta, dann war der Mutter das Himmelreich mehr als gewiss. Dennoch schien dem Mädchen ein Leben als Bäuerin wenig erstrebenswert. Manchmal träumte sie davon, ein junger Edelmann würde eines Tages um sie werben. Auch wenn die Mutter darüber gelacht und gemeint hatte, solche Flausen solle sie sich lieber aus dem Kopf schlagen.
    Draußen gedieh der junge Tag. Vögel sangen, im Osten stieg ein praller Sonnenball über die Wipfel der Bäume. Die Hühner scharrten im Dreck. Eigentlich war alles wie immer, als sei gestern nicht das Geringste geschehen. Und doch – Jutta ahnte es – würde jetzt alles anders werden.
    Die beiden versorgten die Kuh und das Schwein und machten sich anschließend auf den Weg durch den Wald. Helmprecht presste den in eine Decke gewickelten Säugling an seine Brust. Wiljo, ein zotteliger schwarzer Hund, folgte ihnen mit wedelndem Schwanz. Helmprecht hüllte sich wieder in Schweigen. Wenigstens hörte das Kind bald auf zu schreien.
    »Wie geht es nun weiter?«, fragte Jutta den Vater.
    Der hob die Schultern und sah geradeaus. »Was weiß ich?«, knurrte er.
    »Wer dreht mir jetzt die Zöpfe? Du?«
    »Gott behüte. Ich werde wohl wieder heiraten müssen.«
    Jutta erschrak. Dieser
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