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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin
Autoren: Nelly
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zu dem Fall äußern.«
    Die Leute gingen ziemlich hart mit mir
ins Gericht. »Die Kleine hat ihren Vater doch provoziert, also trifft sie auch
eine Mitschuld... Sich vom eigenen Vater bumsen zu lassen! Die Kleine sollte
man einsperren, nicht ihn! ...« Ich sah sie mir an, diese Leute, die nicht
aufhörten, gegen mich zu hetzen.
    Dann gesellte sich meine Mutter zu uns.
Sie hatte Tränen in den Augen. Patrick fragte: »Ist es möglich, daß ein Vater
seine Tochter vergewaltigt, ohne daß die Mutter etwas davon merkt?« »Ja, das
ist möglich«, antwortete Mama. »Es gibt Mütter, die Bescheid wissen, aber aus
Angst, alles zu verlieren, nichts unternehmen. Und man verliert wirklich alles.
Seinen guten Ruf. Seine soziale Stellung. Ich zum Beispiel habe auch meinen Arbeitsplatz
verloren. Und die heitere Atmosphäre einer weitgehend intakten Familie.
Plötzlich steht man ohne Arbeit, ohne Geld, ohne Freunde da... Aber wenn ich
gewußt hätte, was mein Mann mit Nelly gemacht hat, ich glaube, ich hätte ihm
eine Kugel in den Kopf gejagt. Das ist etwas so Abscheuliches... Aber ich
erfuhr eben erst von der Polizei, was los war. Das hat mir einen solchen Schock
versetzt, daß ich dachte, jetzt ist alles aus.«
    Später erklärte sie: »Daß ich meinen
Mann nicht sofort angezeigt habe, ist ein schwerer Fehler gewesen. Ich kann nur
jeder Mutter raten, nicht den gleichen zu machen. Sonst müssen Sie erleben, wie
Ihr Mann Ihre Tochter umbringt, ganz langsam, wie eine heimtückische Krankheit,
wie ein Krebsgeschwür. Zögern Sie nicht, stellen Sie einen Strafantrag. So oder
so, man verliert ohnehin alles...«
    Mama erklärte auch meine Reaktionen und
mein Schweigen, meine Unfähigkeit, mich damals, als es geschah, jemandem anzuvertrauen.
    Daß wir den Mut aufbrachten, in aller
Öffentlichkeit über alle diese Dinge zu reden, hat uns rehabilitiert und uns
Gerechtigkeit widerfahren lassen.
    Patrick Meney wandte sich an mich:
»Ihre Geschichte, Nelly, hat gezeigt, wie wichtig es ist, darüber zu reden,
auch und gerade mit den Menschen in Ihrer unmittelbaren Umgebung, wo Sie auf
Unverständnis und Ablehnung stoßen. Wir haben deshalb Ihrem Wunsch entsprochen
und all jene zu uns eingeladen, die Ihnen feindselig begegnen, damit sie uns
ihre Haltung erklären können.«
    Wer an der Sendung teilnehmen würde,
war vorher abgesprochen worden, so daß es für beide Seiten keine Überraschungen
gab. Meine Großmutter, meine Tante, Nachbarn und Bekannte von Papa betraten die
Studiobühne. Immerhin hatten sie den Mut gehabt zu kommen. Der Bürgermeister
war auch eingeladen worden, erschien aber nicht. Wahrscheinlich war ihm das
Thema zu heikel für eine Fernsehdiskussion.
    Als erste ergriff meine Großmutter das
Wort. Wir hatten uns lange nicht gesehen. Sie freue sich, mich wiederzusehen,
sagte sie, und ich sei ein sehr hübsches Mädchen geworden. Dann fuhr sie fort:
»Ich verstehe nicht, warum Nelly sich uns nicht anvertraut hat. Ich weiß, ihrer
Mutter ging es damals nicht besonders gut, sie litt an einer nervösen
Erschöpfung, aber sie hätte doch zu mir oder zu ihrem Großvater kommen können.
    Sie hätte sagen können: Hört mal, ich
brauche euren Rat, Papa macht das und das mit mir, ist das normal? Sie besuchte
uns jedes Wochenende, wir freuten uns immer, wenn sie kam, sie fühlte sich wohl
bei uns. Ich kann nicht verstehen, warum sie nie ein Wort gesagt hat, warum sie
das alles so lange mitgemacht hat.«
    Ich hätte niemals mit ihr über diese
Dinge sprechen können, antwortete ich. Daraufhin wollte sie wissen, warum
nicht. (Wir hatten mittlerweile ganz vergessen, daß wir in einem Fernsehstudio
vor laufenden Kameras saßen.) »Wenn ich etwas gesagt hätte, hättest du Papa in
Schutz genommen und dafür gesorgt, daß die Angelegenheit vertuscht wird«,
erklärte ich ihr. »Du hättest verhindert, daß ich ihn anzeige. Und wie wäre es
dann weitergegangen, was glaubst du?«
    Papa sei nun einmal ihr Sohn, erwiderte
Mireille, und das bleibe er auch, selbst wenn er eine Riesendummheit gemacht
habe. Sie werde immer für ihn Partei ergreifen. Man hätte die Angelegenheit
doch innerhalb der Familie regeln können. »Er hätte schon bekommen, was er
verdient hat... eins aufs Maul, und zwar kräftig. Aber du hättest zu uns kommen
müssen, Nelly! Wenn nicht zu mir, dann zu deinem Großvater oder zu deiner
Tante. Ihr habt euch doch immer so gut verstanden. Daß du kein Wort gesagt
hast, das begreife ich einfach nicht.«
    »Glauben Sie nicht, daß
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