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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin
Autoren: Nelly
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nahe. Wir haben uns sehr lieb. Sie verwöhnt uns drei nach Strich und
Faden. Wir machen Ausflüge, gehen ins Kino oder zu McDonald’s. Wir haben eine
Menge Spaß zusammen. Für ein junges Mädchen ist es wichtig, eine Mutter zu
haben. Das hast Du nie verstanden. Dabei hast Du selber doch so ein gutes
Verhältnis zu Deiner Mutter gehabt. Und mir hast Du solche Lügen über Mama
erzählt. Warum nur? Das begreife ich einfach nicht. Wie kann ein Vater auf so
eine Idee kommen? Uns gegeneinander aufzuhetzen — wie konntest Du das nur tun?
Wie konntest Du uns miteinander verwechseln: Nelly — die kleine Frau, Nelly — Mama?
    Bestimmt hat das, was Dir als Kind
widerfahren ist, eine Rolle gespielt. Jemand aus Deiner Familie hat Dich
vergewaltigt, und Du hast Dich nicht getraut, darüber zu reden. Als Großmutter
Mireille schließlich von der Sache erfuhr, hat sie sie unter den Teppich
gekehrt. Du mußt genauso gelitten haben wie ich, und das Erlebnis hat Dich
geprägt. Armer kleiner mißbrauchter Junge! Hättest Du damals doch den Mund
aufgemacht... Hast Du mich deswegen vergewaltigt? Ist das der Grund? Dann ist
es gut, daß wir den Teufelskreis durchbrochen haben. Sonst wäre das vielleicht
noch jahrelang so weitergegangen. Und eine neue Generation hätte darunter zu
leiden gehabt. Eine unendliche Geschichte. Eine Art Erbe, das vom Vater an die
Tochter oder — warum nicht — an den Sohn weitergegeben worden wäre. Wie ein
Fluch hätte das Geheimnis auf unserer Familie gelastet. Es war gut, daß ich
geredet habe. Und es tut mir leid, was damals mit Dir passiert ist.
    In der Schule geht es wieder aufwärts.
Das Lernen macht mir endlich wieder Spaß. Ich habe lange Zeit überhaupt nicht
mitgearbeitet und daher drei Jahre verloren. Mit sechzehn bin ich noch in der
Quarta. Aber das ist mir egal, ich büffle fleißig. Ich bin in einem von
katholischen Schwestern geleiteten Internat in Nordfrankreich. Meine Klassenkameradinnen
kennen meine Vergangenheit, aber sie hänseln mich nicht deswegen. Als ich ihnen
das Manuskript dieses Buches zu lesen gab, haben sie geweint. Meine beste
Freundin sagte zu mir: »Du hast großes Pech gehabt.« Stimmt, aber wenigstens
werde ich jetzt nicht mehr als kleine Schlampe beschimpft.
    Hier im Norden gibt es keine Sonne,
keine Mama, keine Sandy und keinen Laury. Seit Beginn des Schuljahrs haben wir
uns leider nicht oft gesehen. Manchmal packt mich das Heimweh. Aber ich wollte
es ja so, das mit dem Internat war meine Idee, weil ich glaube, der Abstand tut
mir gut.
    Im Unterricht bin ich mit Feuereifer
dabei. Ich nehme auch Schauspielunterricht. Das ist sehr wichtig für mich. Es
ist wie eine Therapie. Die Schauspielerei gefällt mir, ich weiß auch nicht,
warum. Ich finde es toll, in die Haut von jemand anderem zu schlüpfen. Was mir
früher der Chor war, ist mir heute das Theater. Weißt Du noch, wie gern ich
gesungen habe... vorher?
    Du siehst, Papa, ich will etwas aus
meinem Leben machen, auch wenn ich einen schlechten Start gehabt habe. Ich will
es schaffen, und sei es nur, um zu beweisen, daß es Dir nicht gelungen ist,
mich kaputtzumachen. Das einzige Problem ist das Geld. Das Internat ist teuer.
Mama kann das Geld nur mit Mühe aufbringen. Beihilfen gibt es nicht für Leute
wie uns. Man wird zwar aufgefordert, jeden Fall von Kindesmißbrauch anzuzeigen,
aber danach kann man sehen, wie man zurechtkommt! Das ist einfach ungerecht.
Vielleicht schaffe ich es mit diesem Buch, mir meine Ausbildung selbst zu
finanzieren.
    Ich weiß nicht, ob Dich das
interessiert, Papa, aber ich möchte Dir von Laury und Sandy erzählen.
Inzwischen haben sie sich wieder gefangen und scheinen soweit ganz glücklich.
Ich glaube, Philippe, Mamas Freund, hat sehr viel dazu beigetragen. Du wirst
Dich an den Gedanken gewöhnen müssen, daß Philippe eine wichtige Rolle im Leben
von Sandy und Laury einnimmt. Er ist unheimlich nett, geduldig und
verständnisvoll mit uns gewesen. Wir hatten wirklich Glück, jemand wie ihn zu
finden, einen so anständigen Menschen. Das hat uns ein bißchen mit der Welt
versöhnt, denke ich. Und Mama ist glücklich mit ihm.
    Tut mir leid, daß ich Dir das sagen
muß, Papa, aber so ist es nun mal. Diese Dinge passieren, wenn Eltern sich
scheiden lassen. Damit muß man sich abfinden. Und wenn Du uns wirklich lieb
hast, dann gönnst Du uns unser Glück. Und vielleicht, irgendwann einmal... Die
Entscheidung, ob sie Dich wiedersehen wollen oder nicht, liegt allein bei Laury
und Sandy. Daß ich
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