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Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
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Intro

    Gibt es Schöneres als eine Landpartie? Unsere Datsche ist ein wildes Stück Garten mit Holzhaus, Apfelbaum, Hängematte und Plumpsklo, gelegen am Dorfrand, umzingelt von Einfamilienhaus-Paradiesen. Direkt dahinter beginnen Wald, Feld und Wiese, in einem Badesee können wir uns treiben lassen. Abends trinken wir Wein unter Sternen. Dieser Ort ist ein Traum! Für kleine Fluchten.
    Nach zwei Tagen fahren wir zurück Richtung Berlin, im Auto kratzen wir unsere Mückenstiche. Draußen zieht das letzte grüne Feld vorbei, vor uns türmen sich die ersten Häuser auf: Heimat.
    Natürlich mögen auch wir das Land und die Natur. Den Duft nach Gras, das Glitzern von Libellenflügeln. Die Stille, wenn endlich alle Rasenmäher schlafen. Aber alles andere, was uns sonst am Leben gefällt: Es fehlt da draußen. Alles, was uns lebendig macht, was uns umtreibt und antreibt, gibt es im Wald und auf der Heide nicht.
    Landlust, Landliebe, Land hin oder her – wir lieben die Stadt. Sollen doch die anderen rausziehen und glücklich werden mit ihren Gummistiefeln, ihren Karotten und den neuen Nachbarn mit dem schönen Carport. Wir sind Großstädterinnen aus Überzeugung – und wir werden es bleiben. Denn wer rauszieht, ist raus.
    Wir sind reingezogen. Kaum erwachsen, haben wir die Provinz verlassen. Bei der ersten Großstadt blieb es nicht. Die eine (Katja Trippel) zog über Paris und Hamburg nach Berlin, die andere (Barbara Schaefer) über München und Stuttgart an die Spree. Das Hohelied der Landlust – singt es ohne uns. Die Landliebe ist uns als Joghurt genug.
    Eine Million Leser folgen alle zwei Monate der Landlust zu weltbewegenden Themen wie »Schnittlauch«, »Sommersalate«, »Starke Pferde«. Und Landlust-TV – »Die schönsten Seiten des Landlebens« – beackert Themen wie »Blütenpotpourri«, »Ernte anno dazumal« und »Idyllische Hofgeschichten«. Da ist es, das verräterische Wort: Idylle. Was soll dieser Rückzug in Fluchtoasen? Die Landromantik, die biedermeierliche Gemütlichkeit? Diese Verrüschung und Verniedlichung, diese Stickdeckchenverspießerung? Diese Sucht, einfaches Leben nachzuspielen?
    Die Idee dahinter ist noch nicht mal neu, auch wenn gerade jetzt, im 21. Jahrhundert, sich dazu Bücher stapeln. Sie ist sogar ein ziemlich alter Hut. Schon die französische Königin Marie-Antoinette ließ im 18. Jahrhundert im Park von Versailles ein Pseudodorf bauen, mit Kühen, Ziegen, Schafen, Hühnern. Natürlich nicht, um die arme Bevölkerung zu ernähren. Marie-Antoinette spielte Landleben mit silbernen Rechen und Eimerchen aus Porzellan – hat hier jemand »Manufactum« gesagt? Ihr persönlich ist diese Karikatur ländlichen Lebens nicht gut bekommen. In Paris, in der Hauptstadt, stürmte die Revolution die Bastille. Pardon, Marie-Antoinette.
    In den Buchläden türmen sich die Selbsterfahrungsberichte jener, die rauszogen, sich Bauernhäuser kauften, Höfe renovierten, mit glücklichen Hühnern auf dem Sofa leben. In den Zeitschriftenregalen rieseln Heustaub und Hasenköttel aus Landlust und Country, diesen gedruckten Fluchthelfern. Die naturtrüben Hochglanzpostillen wollen uns vormachen, irgendwo da draußen, zwischen Rhododendron und alten Rosen sei die Welt noch in Ordnung, liegen Glück, Zufriedenheit oder mindestens ein Zustand zwischen Om und Oma.
    Wir halten dagegen.
    Diese Medien zeigen das Landleben so realitätsnah wie der Playboy Frauen oder Schöner Wohnen das deutsche Heim. Alltag auf dem Dorf findet in diesen Blättern nicht statt, das Landleben wird zur Lifestylewelle gehypt und zugleich degradiert, als Fortsetzung von Aerobic, Wellness, Yoga. Hat ja seine Berechtigung – wie Urlaub aufm Bauernhof. Aber doch nicht tagaus, tagein!
    Die Sehnsucht nach da draußen ist purer Eskapismus. In einer Welt, in der wir immer weniger verstehen, in der Themen auf uns niederprasseln wie das CERN , die cloud , der Euro-Rettungsschirm, da wächst der Wunsch nach Vereinfachung. Der Mensch kapiert das alles nicht mehr, will das alles nicht mehr hören, will nur noch raus – und stattdessen Heimatromane lesen. Klar, kann man machen. Man kann auch weiter daran glauben, die Erde sei eine Scheibe. Doch die Welt ist rund und kompliziert. Wir können ihr nicht entfliehen.
    Es funktioniert ohnehin nicht. Das Dorf ist nicht das simplere, einfachere Stück Welt, in dem Menschen ohne die neurotischen Anwandlungen leben können, die gemeinhin Städter befallen. Auch die Menschen auf dem Land haben stressige
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