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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Hundeliebe
    I n ihren Jungmädchenjahren legte Anja den Weg vom Luichthof über den einsamen Wurzeldeich nach Dosum fast täglich
    zurück. Der Frühling überraschte sie mit Wetterlaunen. Bei strahlender Sonne, wenn der Sommer die gelben Löwenzahnblüten in das satte Grün stickte
    und der Sommerwind das Gras kämmte, kam ihr die Strecke kürzer vor als im Herbst, wenn sie gegen den Sturm ankämpfen musste, der von der Insel als
    kalter Nordwest blies. Im Winter stapfte sie in eisiger Kälte durch den meist klebrigen Schnee und trat ihn mit Gummistiefeln zu Matsch. Der
    Luichthof war einer der größten Höfe im Benninga-Land, das sich auf der Ostfriesland-Karte mit einem halben Zirkelschlag um die Burg, deren
    Türmchen die Wahrzeichen der kleinen Stadt sind, schlagen lässt.
    Nach der mittleren Reife absolvierte Anja eine Ausbildung als Apothekenhelferin und schloss sie mit dem Examen einer pharmazeutisch-technischen
    Assistentin ab. Anja lehnte enge Bindungen an Männer konsequent ab. Allerdings war sie wegen ihrer Großzügigkeit in der Liebe bei Tanzveranstaltungen von
    den jungen Männern dicht umlagert.
    Die Frauen von Dosum stießen sich an Anjas schnippischer und arroganter Art. Sie pfefferte ihren Stolz listig mit modischen Extras, und wenn es nur ein
    buntes Tuch war, das sie auffällig in ihr halblanges blondes Haar eingeflochten trug.
    Am Tresen der Burg-Apotheke schaute sie im weißen Kittel von oben herab, und ihre Schritte an die Regale, ihre Griffe nach Tuben und
    Packungen führte sie aus, als hätten die Kunden ihr die wirksame Heilkraft der Medikamente zu verdanken.
    Als ihre Eltern kurz hintereinander starben, war Anja reich und einsam. Die jungen Männer, die früher bei ihr den Beischlaf gesucht hatten, waren in
    solide Ehebetten geschlüpft.
    Anja entschloss sich, den Jagdschein zu erwerben, denn die Wiesen des Luichthofes reichten bis an den kleinen Leuchtturm, der den Fischern half, den Weg
    zwischen Küste und Insel zu finden, wenn sie vom Krabbenfang den Hafen Occersiel anpeilten.
    Zu dieser Zeit fand Hero Gefallen an der Jagd. Er führte eine Teegroßhandlung mit Erfolg in hohe Gewinne und suchte die Flucht vor seiner Mutter und den
    drei unverheirateten Schwestern, die im benachbarten Nordstadt Mode aus Paris, Mailand und New York papageienhaft auf der Marktstraße vorführten und die
    Blicke der hastenden und bummelnden Menschen als Bewunderung auslegten. Dabei waren sie bemüht, im Vorbeischreiten ihre Spiegelbilder in den Glasscheiben
    der Geschäfte zu erhaschen.
    Die Frauen um Hero hatten ihren Einfluss auf ihn nicht ohne Erfolg ausgeübt. Er trug den Mantel modisch kurz mit übertriebenem Karo. Anstelle der
    ortsüblichen Prinz-Heinrich-Mütze saß eine schreiend gestreifte Schirmmütze keck auf der angegrauten Halbglatze.
     
    Hinter den Tischen des Waldlokals lauschten Anja und Hero, anfangs getrennt, den Worten des Försters, wenner sachkundig, gewürzt mit gelegentlichen Kraftausdrücken, die Jagdgesetze interpretierte.
    Als der Kreisjägermeister in dem kleinen Saal, in dem noch der Schmuck einer goldenen Hochzeit hing, mit Flinten hantierte, die Läufe großtuerisch
    abknickte und das Thema Waffenkunde breit abhandelte, saßen Anja und Hero bereits vereint hinter einem Bier und Corvit und drückten sich hin und wieder
    unter der Tischplatte die Hände und ließen ihre Augen abwandern von Bockbüchsen und Schrotflinten und vereinten blinzelnd ihre Blicke. Zu den späteren
    Schießübungen an der Rehwiese fuhren sie gemeinsam in Heros Sportwagen und reichten sich liebevoll die Gewehre. Sie jubelten sich zu, wenn es ihnen gelang,
    die fliegenden Tonscheiben in der Luft zu zertrümmern.
    Im abgestellten Auto, auf dem Waldweg unter dem Dach blattreicher Buchen, zeigte Anja Hero die von den Rückschlägen der Büchse bunt verfärbten Hautflecken oberhalb der vollen Brust.
    »Wir werden heiraten und bauen!«, sagte Hero entschlossen, als das Dienstmädchen den frischen Blumenstrauß auf den Frühstückstisch
    stellte.
    Die Schwestern reichten sich den großen ovalen Handspiegel, ein antikes Stück aus Bremen, und mit den gekrümmten kleinen Fingern setzten sie zierlich die
    Schlussstriche unter die Nacht, um in langen Seidenkimonos Altsilbermesser an Hörnchen zu legen. Heros Nachricht war keine Sensation, eher eine bereits von
    den Damen genehmigte Aktion. Anja war ja vermögend.
    Die Liebenden planten ihr Nest. Sie ließen bauen. DieFantasie des Paares trieb dem Architekten
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