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Vampirgeflüster

Vampirgeflüster

Titel: Vampirgeflüster
Autoren: Charlaine Harris
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       Kapitel 1
    »Hellhäutige Vampire sollten nie Weiß tragen«, begann der Fernsehmoderator. »Wir haben Devon Dawn, die erst seit zehn Jahren Vampirin ist, heimlich dabei gefilmt, wie sie sich zum Ausgehen zurechtmacht. Und jetzt sehen Sie sich dieses Outfit an! Es steht ihr überhaupt nicht!«
    »Was denkt sie sich bloß dabei?«, fiel eine Frau gehässig ein. »Total in den Neunzigern stecken geblieben! Schauen Sie sich nur die Bluse an - wenn man das überhaupt so nennen kann. Ihr Hautton schreit geradezu nach kontrastierenden Farben, und was zieht sie an? Etwas Elfenbeinfarbenes! Das macht sie doch erst recht leichenblass.«
    Ich band mir gerade die Schuhe zu, aber jetzt sah ich auf, um nicht zu verpassen, wie sich die beiden Modefreaks auf ihr glückloses Opfer stürzten - oh, Entschuldigung, auf die glückliche Vampirin natürlich, die gleich unfreiwillig eine Stilberatung bekommen würde. Und die außerdem sicher hocherfreut darüber war, dass ihre Freundinnen sie bei der Modepolizei angeschwärzt hatten.
    »Das geht bestimmt nicht gut aus«, sagte Octavia Fant. Meine Mitbewohnerin Amelia Broadway hatte Octavia zwar sozusagen in mein Haus hineingemogelt - nachdem ich ihr in einem Augenblick der Schwäche eher beiläufig ein Zimmer angeboten hatte -, aber das Zusammenwohnen funktionierte recht gut.
    »Devon Dawn, das hier ist Bev Leveto von › Fashion Vamp ‹ , und ich bin Todd Seabrook. Ihre Freundin Tessa hat uns angerufen, weil Sie dringend eine Stilberatung in Sachen Mode brauchen! Wir haben Sie an den letzten beiden Abenden heimlich gefilmt, und - AAACKK! « An Todds Gurgel blitzte eine weiße Hand auf und hinterließ nichts als ein gähnendes rötliches Loch. Fasziniert folgte die Kamera Todd, der wankend zu Boden ging, ehe die Linse wieder auf den Kampf zwischen Devon Dawn und Bev Leveto gerichtet wurde.
    »Meine Güte«, sagte Amelia. »Sieht aus, als würde Bev gewinnen.«
    »Bessere Taktik«, erwiderte ich. »Ist dir aufgefallen, dass sie Todd als Ersten durch die Tür gehen ließ?«
    »Ich habe sie überwältigt«, rief Bev auf dem Bildschirm triumphierend. »Devon Dawn, während Todd seine Stimmbänder zusammenklaubt, durchforsten wir mal Ihren Kleiderschrank. Eine Frau, die ewig leben will, kann es sich nicht leisten, geschmacklos gekleidet herumzulaufen. Vampire dürfen nicht in ihrer Vergangenheit stehen bleiben. Wir müssen stets mit der Mode gehen!«
    Devon Dawn wimmerte. »Aber mir gefallen meine Sachen! Sie sind ein Teil von mir! Oh, Sie haben mir den Arm gebrochen.«
    »Das heilt wieder. Sie wollen doch wohl nicht als die arme kleine Vampirin gelten, die es nicht hinkriegt, oder? Und Sie wollen sicher auch nicht selbst Vergangenheit werden!«
    »Äh, eigentlich nicht...«
    »Na also! Ich lasse Sie jetzt los. Und wenn ich Todd so husten höre, würde ich sagen, ihm geht's auch schon wieder besser.«
    Ich schaltete den Fernseher aus und band mir den anderen Schuh zu. Über Amerikas neue Sucht nach Vampir-Reality-Shows konnte ich nur noch den Kopf schütteln. Doch der Anblick meines preiselbeerroten Mantels, den ich aus dem Wandschrank zog, erinnerte mich umgehend daran, dass ich selbst einige höchst reale Probleme mit Vampiren hatte. Im Vampirkönigreich Louisiana hatten vor zweieinhalb Monaten die Vampire aus Nevada die Macht übernommen, und seitdem war Eric Northman vollauf damit beschäftigt, seine Stellung innerhalb des neuen Regimes zu festigen und herauszufinden, was vom alten noch übrig war.
    Es war längst überfällig, dass ich mit Eric mal über seine frisch wiederaufgetauchten Erinnerungen an unsere seltsam intensive gemeinsame Zeit plauderte. Eigentlich hatte er damals ja aufgrund eines Fluchs oder Hexenzaubers sein Gedächtnis zeitweise verloren.
    »Was macht ihr denn heute Abend, während ich arbeite?«, fragte ich Amelia und Octavia, weil ich noch ein weiteres Fantasiegespräch mit Eric wirklich nicht gebrauchen konnte. Ich zog den Mantel an. Im Norden Louisianas wird es nie so entsetzlich kalt wie im richtigen Norden, aber an diesem Spätnachmittag hatte es keine zehn Grad mehr, und wenn ich aus der Arbeit kam, würde es noch kälter sein.
    »Meine Nichte und ihre Kinder holen mich zum Abendessen ab«, erzählte Octavia.
    Amelia und ich tauschten einen überraschten Blick, als Octavia ihren Kopf wieder über die Bluse beugte, die sie gerade flickte. Es war das erste Mal, dass sie ihre Nichte treffen würde, seit sie aus deren Wohnung in mein Haus gezogen
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