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Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Titel: Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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verboten wurde, Bedienstete zu haben), als Rolf auf seinem Rad an uns vorbeifuhr und den Kopf drehte. Und er hat mir zugezwinkert!
    Ich bin bestimmt ganz rot geworden, aber Dorette hat nichts gemerkt.
    In der Nacht darauf habe ich von Rolfs blauen Augen geträumt.
    Heute aber, ausgerechnet an meinem Geburtstag, hat er weggeschaut, als er an uns vorbeifuhr, und mich gar nicht beachtet.
    Ich bin mit hoch erhobenem Kopf weitergegangen und habe so getan, als mache es mir nichts aus. Aber mein Herz hat sich zusammengezogen und einen Moment lang habe ich keine Luft mehr bekommen.
    Um Punkt zwei Uhr ist Lotte mit einem großen Strauß rosafarbener Rosen und einer wunderhübschen Käthe-Kruse-Babypuppe eingetroffen. Ich habe sie Greta getauft. Sie trägt einen weißen Strampelanzug und gehört nur mir allein.
    Als Ruthie kam, hab ich ihr gleich erzählt, dass Lotte mir zum Geburtstag Greta geschenkt hat. Da ist sie ganz rot geworden und war fast etwas verlegen, als sie mir einen pinkfarbenen Schal überreicht hat, den sie für mich gehäkelt hat.
    Ich habe mich bei Lotte und Ruthie gleich herzlich bedankt und dann haben wir uns an den Tisch gesetzt. Mama hat uns Kartoffelpuffer und Lachs serviert, und zum Nachtisch gab es Pfannkuchen, mit Marmelade gefüllt.
    Hinterher haben wir Denk-Fix gespielt, und Ruthie hat alle geschlagen, sogar Papa. Ich war froh, dass sie heute nicht so aufgedreht war wie sonst, sie war viel ruhiger. Sie hatte auch dunkle Ringe unter den Augen, und deshalb hat sie sich sicher gefreut, dass sie gewonnen hat, auch wenn sie so höflich war und sich nichts anmerken ließ.
    Um vier Uhr hat Mama die leckere Schwarzwälder Kirschtorte serviert, die sie vom Café Kranzler am Kurfürstendamm kommen ließ, als auf einmal jemand an unsere Wohnungstür hämmerte.
    Mama und Papa haben sich besorgt angesehen.
    Das Hämmern hat nicht aufgehört.
    »Ihr bleibt sitzen, Kinder«, sagte Mama.
    Papa erhob sich vom Tisch und hinkte zur Wohnungstür, gefolgt von Mama.
    Lotte, Ruthie und ich haben uns hinter der Tür vom Esszimmer versteckt und abwechselnd durch den Spalt geschaut.
    Zwei Männer, ein großer dünner und ein kleiner, schmuddelig gekleideter Mann, beide mit einem Homburger Hut, streckten gleichzeitig den rechten Arm hoch.
    »Heil Hitler! Gestapo!«
    »Das ist die Abkürzung für Geheime Staatspolizei«, hatte Mama mir erst vor wenigen Tagen erklärt.
    Sie und mein Vater sahen die beiden Männer nur wortlos an.
    »Frau Georg Czarlinski?«, rief einer der beiden barsch.
    Mama trat einen Schritt vor, und einen Moment lang kam es mir vor, als sei sie um zehn Zentimeter gewachsen.
    Doch dann sah ich die roten Flecken auf ihren Wangen.
    »Mitkommen!«, bellte der Gestapo-Mann.
    Papa zückte seine Brieftasche, in der er die ehrenvollen Erwähnungen von Adolf Hitler aufbewahrte und die Medaillen, die er im Krieg erhalten hatte, doch die schienen die Gestapo-Männer nicht zu interessieren, denn sie winkten ab.
    »Lassen Sie!«, sagte der eine. »Wir wollen Ihre Frau holen. Dieses Mal …«
    »Dann will ich auch …«, begann Papa, doch einer der beiden Männer hob eine Faust.
    Papa trat schnell zur Seite.
    Ohnmächtig mussten wir mit ansehen, wie die Gestapo Männer Mama in einen großen schwarzen Mercedes stießen.
    Lotte, Ruthie und ich brachen im Esszimmer vor Schreck in Tränen aus.
    Ich wusste, dass ich nicht weinen durfte, aber es machte mir Angst, dass Papa die Gestapo-Männer nicht daran hindern konnte, Mama mitzunehmen, obwohl er ein deutscher Offizier ist!
    Drei Stunden später kam Mama zum Glück zurück und sah kein bisschen anders aus als vorher.
    Papa fiel ihr um den Hals und drückte sie so fest, als wolle er sie nie mehr loslassen. Dann hat Mama mich umarmt und schließlich auch Lotte und sogar Ruthie.
    Wir haben uns alle an den Tisch gesetzt, und Mama hat uns erzählt, dass sie ins Hauptquartier der Gestapo kommen musste, weil eine von Papas Arbeiterinnen sie denunziert hat.
    In Papas Fabrik arbeiteten vierzig Frauen und es konnte jede von ihnen gewesen sein. Ich hatte immer gedacht, sie fänden Papa nett und würden gern für ihn nähen.
    Diese eine Näherin hatte der Gestapo also gemeldet, sie habe neulich, als meine Eltern am Fenster der Näherei standen und eine SS-Parade vorbeizog, Mama sagen hören: »Dieser Göring mit seinen vielen Orden! Wie lächerlich! Damit sieht er eher wie ein Clown als wie ein General aus!«
    Als die Gestapo meine Mutter befragte, hat sie nur »Quatsch!«,
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