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Hexenbräute

Hexenbräute

Titel: Hexenbräute
Autoren: Jason Dark
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Liz Salem legte den Hörer auf. Sie erwachte wie aus einem tiefen Schlaf. Nur allmählich kehrte die Gegenwart zurück. Während des Telefonats war die Normalität verschwunden gewesen. Jetzt baute sie sich langsam wieder auf. Liz erkannte das Büro, in dem sie mit zahlreichen Kolleginnen saß. Sie sah das helle Licht, den Computer auf ihrem Schreibtisch, die transportable Trennwand an der linken Seite, und auch die üblichen Geräusche erreichten ihre Ohren wieder.
    Innerhalb des Großraumbüros war durch diese Trennwände etwas Intimsphäre geschaffen worden. So war, den hier arbeitenden Frauen das Gefühl genommen worden, in einer Halle zu sitzen. Jeweils vier bis sechs Kolleginnen hockten in den »Zellen« vor ihren Bildschirmen und gingen einem Job nach, der verdammt monoton war. Sie tippten lange Zahlenkolonnen für irgendein Bankenkonsortium ein. Wozu die Zahlen eigentlich gut waren, wussten sie nicht. Es war ihnen letztendlich auch egal. Für sie zählte nur, dass sie ihr Geld bekamen, und das wurde pünktlich überwiesen. In harten wirtschaftlichen Zeiten wie diesen durfte man keine großen Ansprüche stellen.
    Auch nicht an die Vorgesetzten, denn die bekamen ebenfalls von oben her Druck und verhielten sich entsprechend.
    Liz bemerkte, dass sie von ihren Kolleginnen angeschielt wurde, obwohl diese weiterhin arbeiteten und ihre Finger über die Tasten huschen ließen.
    Warum schauten sie so?
    Liz konnte keine Antwort geben. Es lag sicherlich nicht an ihrem Telefonat. Bis ein Windzug über ihren Nacken hinwegstreifte. Es war kein Wind, denn in diesem Bau gab es keine Fenster, die geöffnet werden konnten. Es war der Atem eines Mannes, der sich hinter sie geschlichen hatte und sehr dicht bei ihr stand.
    »Geschlafen, Liz?«
    »Nein, nur telefoniert.«
    Sie hörte das Lachen. Es klang wie immer widerlich. »Sicherlich privat, meine Liebe.«
    »Ich bin angerufen worden.«
    »Na und?« Gilbert war der Chef. Gilbert war der Gott in diesem verdammten Knast. Gilbert hatte Macht. Er war der Antreiber, und nur seine Regeln galten. Er war der Feldwebel und gegen weibliche Reize völlig immun. Schwul war er nicht. Es gab für ihn nur den Job, und den zog er rücksichtslos durch.
    Er hatte sich hinter Liz angeschlichen und abgewartet. Jetzt bewegte er sich. An der rechten Seite des Schreibtisches blieb er stehen. Von der Körpergröße her war er den meisten Frauen unterlegen, deshalb ließ er sie immer sitzen, wenn er mit ihnen sprach. So mussten sie hochschauen, und er konnte auf sie hinabblicken.
    Das tat er auch jetzt. Wie immer roch er nach einem billigen Rasierwasser. Auf dem Kopf wuchsen dünne Haare. Sein Gesicht war fett und breit, und seine Augen standen vor. Seine Lippen waren meistens feucht wie auch jetzt. Liz hätte am liebsten zur Seite geschaut, doch das traute sie sich nicht.
    Nun freute er sich darauf, Liz fertig machen zu können. »Wie lautet unsere Regel?«, flüsterte er.
    »Keine privaten Anrufe.«
    »Genau. Sie wissen es ja.«
    »Es gibt bei jeder Regel eine Ausnahme!«, flüsterte Liz. Sie schob mit einer fahrigen Bewegung eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn.
    »Das sagen Sie!«
    »Ja!« Liz hielt dem Blick des Mannes stand. Sie wunderte sich selbst darüber. Vor dem Anruf hätte sie das nicht gekonnt. Jetzt war alles anders. Man hatte etwas in ihr geweckt. Sie spürte die neuen alten Kräfte in sich aufsteigen, und plötzlich freute sie sich über die Diskussion mit dieser lächerlichen Gestalt.
    »War das alles?«
    »Genau!«
    Nach dieser Antwort zeigte sich Gilbert unsicher. So etwas hatte er noch nie erlebt. Er war davon ausgegangen, dass die Mitarbeiterin sehr klein wurde und sich bei ihm entschuldigte. Nun lagen die Dinge plötzlich anders. Er spürte den Widerstand, der ihm da entgegengesetzt wurde, und merkte zugleich, dass er sich aufregte.
    Es passte ihm auch nicht, dass ihn die übrigen Frauen anstarrten. Keine arbeitete mehr weiter. Dieses Büro war plötzlich zu einer Insel innerhalb des Großraums geworden.
    Gilbert musste reagieren, wollte er nicht sein Gesicht verlieren. Auf psychologisches Einfühlungsvermögen hatte er noch nie gesetzt. Bei ihm hieß es Befehl und Gehorsam. Wer den Gehorsam verweigerte, hatte die Konsequenzen zu tragen.
    So wie Liz Salem!
    Es gab genug Frauen, die auf einen solchen Job warteten. Während er daran dachte, glitt ein kaltes Lächeln über seine Lippen. Die Augen schienen noch stärker aus den Höhlen zu treten. Hinter einer dünnen Haut an seiner
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