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Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Titel: Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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die sie zurückschrieb (ihre Mutter hat sie gesammelt und dann mit nach England gebracht – nur so blieben sie erhalten), die Kurznachrichten, die sie einander über das Rote Kreuz zukommen ließen, jeweils mit den erlaubten 25 Wörtern, so voller Liebe und Sehnsucht.
    Der vorliegende Roman basiert auf diesen Unterlagen, sowie auf der Autobiografie, die meine Mutter in den Sechzigerjahren geschrieben hat.
    Diese Autobiografie konnte allerdings nie veröffentlicht werden, da ein Mitglied von Mutters Familie strikt dagegen war, in Mutters Buch erwähnt zu werden.
    Das hat dazu geführt, dass das vorliegende Buch zwar zum größten Teil sachlich richtig ist, doch da dieses eine Familienmitglied wegfallen musste und auch einige Namen aus rechtlichen Gründen geändert wurden, kann dieser Roman nicht zu hundert Prozent als Tatsachenroman gelten.
    Interessiert und unerschrocken und großmütig wie meine Mutter ist, kehrte sie im Jahr 1974 nach Deutschland zurück, in das Land, das ihr das Herz brach, um dort als Lehrerin zu arbeiten.
    Ausgerechnet die Enkelin von Adolf Eichmann, einer der Hauptverantwortlichen für die Durchführung von Hitlers »Endlösung«, war eine der ersten Schülerinnen an der Sprachschule meiner Mutter in Konstanz.
    Meine Mutter war nicht nur sehr freundlich zu Eichmanns Enkelin, sie verhalf ihr sogar zu ihrer ersten Anstellung. »Ihr Großvater ist tot«, sagte sie sich, »ich dagegen lebe noch.«
    Meine Mutter erhielt vom deutschen Staat eine Wiedergutmachung für das Unrecht, das sie und ihre Familie während des Holocausts erlitten hatten, und diese Geldsumme spendete sie für die Kinder des Pestalozzi-Kinderdorfes in England.
    Diese Kinder waren keine Juden, sondern Kinder von Sklavenarbeitern aus Osteuropa, die unter dem Naziregime gelitten hatten, und meine Mutter widmete diesen Kindern ihre Zeit und die Reparationszahlungen, um ihnen eine glückliche Jugend zu schenken – eine weitaus glücklichere, als sie selbst gehabt hatte, obwohl sie niemals auf die Idee käme, ihre eigene Jugend als unglücklich zu bezeichnen.
    Als ich meine Mutter vor einigen Jahren versehentlich als »Überlebende des Holocausts« bezeichnete, widersprach sie vehement.
    »Nein, Wendy, das trifft auf mich nicht zu«, sagte sie. »Ich war kein Opfer des Holocausts. Ich konnte entkommen. Ich hatte Glück. Ich habe überlebt.«
    Meine Mutter hat diese düsteren Jahre tatsächlich überlebt.
    Doch der Preis war hoch und die Wunden waren tief.
    Man sah und sieht meiner Mutter diese Wunden nicht an. Eine Zeit lang litt ich wegen der Vergangenheit meiner Mutter unter Albträumen, sie nicht!
    Sie war und ist ein fröhlicher, positiver und optimistischer Mensch, und noch heute, mit Mitte achtzig, sagt sie im Brustton der Überzeugung: »Ich habe Glück gehabt, ich war ein Glückskind …«
    Dieser Meinung kann ich mich nicht unbedingt anschließen. Eines aber weiß ich ganz sicher: Ich bin ein Glückskind, weil Marion Charles meine Mutter ist und weil ich bei dieser außergewöhnlichen Frau aufwachsen durfte, deren Lebensgeschichte halb Märchen und halb Albtraum ist. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das zu einer Augenzeugin der Geschichte wurde, eines Teenagers in einer Welt, die komplett aus den Fugen geraten war, und einer Frau, deren unbezähmbarer Wille für mich eine Quelle der Inspiration und ein Segen ist.

Prolog
    Mein Name ist Anna Kiefer. Ich bin vierzehn Jahre alt, lebe in Berlin und bin Herausgeberin unserer Schülerzeitung.
    Eines Tages, so hoffe ich, werde ich eine Zeitung für Er wachsene herausgeben, und zur Vorbereitung darauf möchte ich schon heute journalistisch tätig sein, obwohl ich erst vierzehn bin.
    Es ist mein erklärtes Ziel, dass sich unsere Schülerzeitung mit wichtigen Themen befasst, die zum einen etwas mit Berlin zu tun haben und zum anderen die Herzen der Leserinnen und Leser berühren.
    Als ich im letzten September meine Urgroßeltern besucht habe, die in einem Seniorenheim leben, bin ich über eine Geschichte gestolpert, von der ich glaube, dass sie beide Kriterien erfüllt.
    Ich habe mich noch in derselben Woche hingesetzt und folgenden Brief geschrieben:
    12. September 2012
    Liebe Frau Charles,
    es war mir eine große Freude, dass ich am letzten Sonntag, als ich meine Urgroßeltern besuchte, Ihre Bekanntschaft machte, und dass wir ein bisschen plaudern konnten.
    Ich fand es sehr spannend, was Sie von sich erzählt haben: dass Sie in Berlin geboren wurden, mit dem Kindertransport
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