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Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz
Autoren: Arne Piewitz
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früh fahre ich nach Hannover. Ich spiele da mit meiner Truppe Fußball. Der Spielanpfiff ist um halb Elf. M. hat keine Chance. Linke Frau, 24, nichtmal mehr eine Fußballbraut...

    Ich habe mich verletzt. Ischias oder so. Außerdem schlimme Bronchitis. Kann nichtmal mehr rauchen. Der Typ, bei dem ich bisher untergekommen bin, braucht das Bett selbst. Sabine will nicht, daß ich kurzfristig bei ihr bleibe, »kommt ja gar nicht in die Tüte«, sagt sie und schickt mich weg. Wohin? Ich muß unbedingt einige Tage liegen.
    Ich mache einen idiotischen Fehler: ich gehe zu M. Mein Zustand bremst ihren Redeschwall und ihre Empörung. Natürlich blubbert sie mich voll wegen meiner ganz miesen frauenverachtenden Unzuverlässigkeit, und das sähe ich ja nun, was ich von diesem Scheißfußball hätte, und wenn ich das mit dem Spiel in Hannover schon vorher gewußt hätte, dann hätte ich ihr das doch auch sagen können, aber ich bin so mitleiderregend schlecht drauf, daß sie gottseidank keinen Diskussionsbeitrag von mir erwartet. Reibt mich mit irgendeiner Stinkesalbe ein, packt mich ins Bett. Sie pflegt mit aufopfernd. Ich verzichte drauf, sie »hallo Schwester« zu rufen. Bin natürlich weniger krank, als ich vorgebe, zu sein. Möchte längere Rekonvaleszenzphase vermeiden; es soll mir in diesem Zimmer nicht »schon viel besser« gehen; will plötzlich gesund sein und möglichst friedlich wieder einen Abgang machen.
    Abends, wenn sie zu mir ins Bett kriecht, verbarrikadiere ich mich hinter meiner Decke. Aber immer wieder ihre Zärtlichkeiten...! Ich zeige keine Reaktion. Ich bringe es einfach nicht fertig. Ich kann nicht zärtlich zu ihr sein. Sie spricht mich darauf an, sie läßt sich keine Chance zur Quälerei entgehen.
    Ich sage: »Ich finde’s ganz schön, von dir gestreichelt zu werden, ich kann dir das nur im Moment nicht geben. Bei mir ist eben das Bedürfnis nicht so da, verstehst du? Und irgendwie käme mir das auch ziemlich unehrlich vor, wenn ich dich dann trotzdem streicheln würde. Aber, wie gesagt, ich finde’s ganz schön, wenn du das machst.« Sie antwortet mit einer längeren Abhandlung darüber, daß sie doch nicht meine Mutter sei, so’n mütterlicher Wärmespender. Das sei ja mal wieder die typische Rollenverteilung. Andererseits hätte sie Bock, mich zu streicheln und, und, und.
    Für mich ein klarer Fall: Die junge Frau ist an die Grenzen ihrer Efrauzipation gestoßen. Jetzt kommt sie mit ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr klar...

    Sie erzählt mir von ihrer Unsicherheit. Was sie für ihre Schwächen hält. Und daß das, was sie heute ist, schon das Ergebnis eines jahrelangen harten Kampfes gegen ihre Mädchenerziehung ist. Ich soll ihre Persönlichkeit vor historischem Hintergrund sehen. Dann lerne ich sie nämlich auch schätzen!
    Und dann folgt eine unsägliche Nummer, die sie mit 17 oder so in England durchgezogen hat. Sie war in irgendeinen Loddel verknallt und hat sich von dem überreden lassen, es mit irgendeinem Opa zu treiben, im Stundenhotel, für’n 10-Cent-Stück.
    Ich denke, selbst mit 17 darf niemand so bescheuert sein. Sich in einen Zuhälter zu verknallen — in Ordnung, kann passieren. Aber ohne Zwang, nur »aus Liebe« zu dem Typ, um dem zu »beweisen, daß ich ihn liebe« — also deswegen sich von einem ekligen Opa abschlecken zu lassen: Da hat sie wohl einen Helm aufgehabt, die junge Frau. Und nun setzt sie sich kühn hin und behauptet, das sei eine Vergewaltigung. Jawohl, sie sei vergewaltigt worden. Das schlimmste Erlebnis ihrer Jungmädchenzeit. Kann ja sein; angenehm war’s bestimmt nicht. Aber ihre eigene totale Blödheit ist für sie kein Thema — sie ist ja vergewaltigt worden. Von zwei Männern. Und ich muß nun ausbaden, daß sie alle Männer für Schweine hält. Daß der Loddel und sein Opa wirklich Schweine waren, bestreite ich ja gar nicht, da haben zwei Dreckschweine eine dumme Gans niedergerüsselt — aber was hat das mit mir zu tun? Ich habe sie doch nicht hinter’m Bahndamm in die Brennesseln geschubst, mit einem Messer bedroht, die Klamotten zerrissen und brutal durchgerammelt, ich doch nicht. Mal ganz abgesehen davon, daß ich einen echten Haß auf solche Männer habe, weil sie uns andere nämlich auf’s übelste in Mißkredit bringen, mal ganz davon abgesehen, daß auch ich nicht vergewaltigt werden möchte und es schon aus dieser Einstellung heraus keinem anderen Menschen wünsche, mal abgesehen davon, daß ich mir vorstellen kann, daß Vergewaltigung
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