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Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz
Autoren: Arne Piewitz
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sie für meine Zwecke kennenlernen wollte. Ich achte keine Rechte — wenn ich nicht den achte, der sie besitzt. Und das geschieht selten.
    Mit der Zeit hat sich eine gewisse Bereitschaft zur Verneinung in mir entwickelt, eine biegsame Dialektik des Gefühls, die mich gelegentlich dazu verleitet, in etwas, das allgemein gut gefunden wird, die Schädlichkeit zu entdecken; andererseits verteidige ich oft das Verbotene. Und ich lehne Pflichten mit eben dem Unwillen ab, der aus dem Willen zur Schaffung eigener Pflichten hervorgeht.

    Meine moralische Führung überlasse ich, mit gewissen Ausnahmen, trotz allem dem bürgerlichen Anstand, der in unserem System so ziemlich alle Männer leitet, die in einigermaßen geordneten Verhältnissen leben. Irgendwie führe ich mit dem Hochmut, der Rücksichtslosigkeit und Nachlässigkeit eines Mannes, der zu seinen Taten berufen ist, das Leben eines anderen Menschen, der von seinen Neigungen und Fähigkeiten einen mehr oder weniger gewöhnlichen, nützlichen und sozialen Gebrauch macht.
    Ich bin es gewöhnt, mich aus natürlichem Trieb und ohne Eitelkeit für das Werkzeug zu einem nicht unbedeutenden Zweck zu hatten, und diesen Zweck werde ich schon noch rechtzeitig erfahren. Und selbst jetzt, in diesen Jahren der Unruhe, in dieser Zeit ungeklärter »Beziehungen«, in diesem Moment der Steuerlosigkeit, habe ich das Gefühl, auf meinem Weg zu sein.
    Ich bin wohl ein Mann, der von irgendetwas gezwungen wird, gegen mich selbst zu leben, obwohl ich mich scheinbar ohne Zwang einfach gehen lasse.
    Warum bin ich nicht Pilger geworden? Wer das Leben nicht bejahen will, sollte wenigstens das » Nein« des Heiligen sagen.
    Oder Abenteurer? Immerwährende Action...
    Oder Dichter? Nein, bloß das nicht.
    Auch einer von den Enttäuschten, die nur an Geld und Gewalt glauben — ich könnte das nicht werden, obwohl ich zu allem die Anlagen habe. Zu allem, was es gibt, zieht mich etwas hin, aber etwas Stärkeres läßt mich nicht dazu kommen.
    Warum lebe ich so unklar und unentschieden?
    Es ist traurig. Ich bin traurig. Ich liebe mich einfach selbst nicht.
    (Eh, Robert M. — woher kennst Du mich so genau?)

    M. kommt aus der Hocke hoch, das Stöckchen behält sie in der Hand, geht langsam los. Ich dackle hinterher, drei Schritte Abstand. Sie bleibt stehen, dreht sich um:
    »Ich finde’s schweinisch von dir, daß du mir das nicht von allein und früher gesagt hast. Das ist typisch männlich, daß du dir keinen einzigen Gedanken darüber gemacht hast, in was für eine Situation du Frauen mit diesem Verhalten bringst. Es ist eben so, daß Frauen meistens mehr Gefühle investieren, und dann sind sie die Angeschissenen. Du hättest dir Gedanken darüber machen müssen, in was für eine Scheißsituation du die Frau bringst, wenn die Gefühle investiert. Das ist echt schweinisch, daß du das nicht getan hast. Du hättest das ansprechen müssen, und nicht erst dann, wenn ich über ein damit zusammenhängendes Thema, nämlich Sexualität, rede, du hättest das von allein und viel eher ansprechen müssen.«
    Ich sage: »Aber es kann doch genauso gut sein, daß der Mann abhängiger ist. Daß er mehr investiert, oder? Da ist doch nichts Typisches.« Nein, sie hat das noch nie erlebt, also gibt’s das auch nicht...
    Sie sucht ihre Linie. Sie hält sich tapfer. Wir reden Belangloses, suchen eine unverfängliche Gesprächsebene. Sie rettet sich in eine aufgesetzte Fröhlichkeit. Wir trinken ziemlich viel. Heute kein Geschlechtsverkehr...!

    Ich habe meine Wohnung verloren. »Eigenbedarf« des Vermieters. Die Stereoanlage und meine Matraze plus Bücherkiste habe ich bei Sabine in den Keller gestellt. Schlafe mal hier, mal da. Irgendwas ergibt sich immer.
    Trotzdem einige Tage Ruhe. Ausatmen. Der »Beziehungsscheiß« hat sich erledigt, der Anfang für normale Geschäftsbeziehungen oder vielleicht sogar für eine gute Freundschaft ist gemacht.
    Spiele wieder lonely wolfe, gucke den Frauen wieder ungenierter in die Augen. Meistens bin ich gerne allein. Fühle mich wie ein altes Mietshaus kurz vor dem Abriß: schaue aus trüben Fenstern auf die vitale Straße, das Dach ist schon etwas undicht, der Putz bröckelt, und manchmal kommen auch ein paar Leute ein oder zwei Treppen hoch. Sie gehen immer wieder schnell.
    Ein Haus kann man instandbesetzen. Ich bin dafür, ich bin dabei. Der Versuch, mich instandzubesetzen, ist erfolgreich abgewehrt worden.
    Ich kriege einen ellenlangen Brief von M. Sie gibt keine Ruhe. Sie
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