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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann
Autoren: Eva Völler
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wirkender Typ die Treppe hoch. Er trug trotz der Wärme einen
abgeschabten Trench, dessen Gürtel lose herabhing.
    »Bingo«, sagte Schartenbrink. »Das ist Kleff!« Ohne sich zu
vergewissern, ob sein Team ihm folgte, schob er sich rücksichtslos
durch die Menge in Richtung Treppe.
    Der Trenchtyp setzte ebenfalls seine vierschrötigen Schultern
ein, um vorwärts zu kommen, sodass es nur eine Sache von Sekunden war,
bis er Schartenbrink Auge in Auge gegenüberstand.
    Schartenbrink griff hinter sich, packte den Kameramann am
Ärmel und zerrte ihn rabiat nach vorn, bis er schräg vor ihm stand und
so den Trench und Schartenbrink gleichzeitig im Bild hatte. Der
Beleuchter war irgendwo hinter ihm, diese Niete, und Schartenbrink
beschloss, ihn die Treppe runterzuschmeißen, wenn er diese Aufnahme
versaute.
    »Meine Damen und Herren«, sagte Schartenbrink ins Mikro,
»gerade sehe ich den Kriminalbeamten, der diesen Fall als
verantwortlicher Ermittler bearbeitet hat, Herrn Hauptkommissar Alwin
Kleff. Er hat seinerzeit den Angeklagten verhaftet und wird heute als
einer der Hauptbelastungszeugen der Urteilsverkündung beiwohnen.«
    Er stellte sich Kleff in den Weg und zeigte mit dem
Zeigefinger auf ihn, eine Geste, die besagte: Du bist dran, mein
Freund, und wehe, du hast nichts zu sagen.
    »Herr Kommissar Kleff, ich bin Herbert Schartenbrink von AMS.«
    Kleff zerrte ungeduldig an seinem Gürtel und suchte nach
Mitteln und Wegen, um am Aufnahmeteam vorbeizukommen.
    Schartenbrink machte sich so breit wie möglich. »Können Sie
für unsere Zuschauer von AMS noch einmal beschreiben, wie Sie damals
das Mordopfer vorfanden?«
    Er drückte Kleff das Mikro unter die Nase und machte ein
aufmunterndes Gesicht.
    Kleff schob das Mikro wütend weg, doch es kehrte unerbittlich
zu seinem Mund zurück.
    »Herr Kleff, was empfanden Sie, als Willy Teil damals mit
einem fünfzig Kilo schweren Betonklotz an den Füßen aus dem Baggersee
gezogen wurde? Werden Sie es als persönliche Genugtuung betrachten,
wenn der Angeklagte als mutmaßlicher Mörder seiner gerechten Strafe
zugeführt wird?«
    »Kein Kommentar«, sagte Kleff. Er hatte links von sich eine
Lücke in der Menschenmasse ausgemacht und tat einen rettenden Sprung
direkt hinein. Schartenbrink hätte ihm am liebsten von hinten das Mikro
über den Schädel gezogen. Kein Schwein hatte heutzutage Verständnis für
die Bedürfnisse einer Informationsgesellschaft. Er konnte sich
abrackern bis zum Gehtnichtmehr, trat Tag für Tag mit den
allerneuesten, allerschärfsten und allerblutigsten Infos an, um die
Abende aus dem Quotentief zu reißen, und wer dankte es ihm? Die Typen
von der Redaktion vielleicht? Diese Geier waren doch so geizig, wie sie
träge waren. Sie saßen auf ihren dicken Ärschen in ihren tollen Büros
und meckerten an allem bloß herum. Von denen sagte doch nicht einer
mal: Mensch, Herby, wie hast du das bloß wieder hingekriegt, so auf die
Schnelle, und dabei so authentisch!
    Herrgott, er hasste diese Burschen!
    Moment, wer kam denn jetzt die Treppe hoch? Die Menge brach in
Raunen aus und bildete eine Gasse. Ein wildes Blitzlichtgewitter setzte
ein, und drei, vier Zeitungsreporter drängten an Schartenbrink vorbei,
um mit einem brabbelnden Durcheinander blöder Fragen auf den
Neuankömmling einzustürmen. Endlich, da kam er ja, der Herr
Rechtsanwalt.
    Schartenbrink drehte sich mit süßlichem Lächeln zur Kamera.
    »Meine Damen und Herren, ich bin Herbert Schartenbrink von
AMS, für Sie direkt vom Landgericht. Soeben sehe ich, wie Dr. Anton
Winkler von der bekannten Kanzlei Schnellberger und Partner sich dem
Sitzungssaal der Großen Strafkammer nähert. Herr Dr. Winkler ist der
Verteidiger von Herrn Ziegler.«
    Schartenbrink verteilte grobe Püffe nach allen Seiten und
kämpfte sich einen Weg zur Treppe frei. Anton hatte gerade den Absatz
erreicht und kam mit flatternder Robe die letzten Stufen
heraufgehastet, nach rechts und links knappe Pressestatements
verteilend. Er klemmte seinen teuren Aktenkoffer –
italienisch, mutmaßte Schartenbrink – unter einen Arm und
steckte verstohlen eine Tablette in den Mund, als er die Reporter
hinter sich gelassen hatte. Ihm auf dem Fuße folgte ein junger
Mann – wahrscheinlich ein Referendar –, der einen
gefährlich hohen Stapel Akten schleppte, obenauf einen Band
Gesetzestexte und einen Strafgesetzkommentar balancierend.
    »Licht«, knirschte Schartenbrink über die rechte Schulter nach
hinten. Er würde diesen unfähigen
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