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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann
Autoren: Eva Völler
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Narbenwülste als
Augenbrauen. Und natürlich trugen sie wie ihr Herr und Meister
maßgeschneiderten, seidenen Zwirn vom Feinsten, noch zwei Klassen
besser als der, den Anton sich von seinem Aufsteigergehalt gönnte.
    Anton ließ seine Blicke über die Bänke weiter nach hinten
schweifen und sah schwarz. Buchstäblich. Er zählte die erschienenen
Anwaltsroben und kam bei einem halben Dutzend aus dem Takt.
    Lieber Himmel, da hinten saßen mindestens sechs Kollegen,
unter ihnen zwei Partner von Schnellberger! Sie waren gekommen, um Blut
zu sehen, um sich an seinem unmittelbar bevorstehenden Untergang zu
weiden!
    Anton drehte sich zu Ziggy um und rang sich ein zuvorkommendes
Lächeln ab.
    »Nur Mut, Herr Ziegler«, heuchelte er, »unsere Beweislage ist
keineswegs so aussichtslos, wie es scheint.«
    »Klar doch, Doktorchen.« Ziggy blinzelte. »Sie hauen mich
raus. Das hoffe ich doch sehr. Wenn nicht, dann …« Er verfiel
in kryptisches Schweigen, beugte sich vor und versuchte, einen Blick
auf Antons Füße zu erhaschen. Dann schaute er Anton direkt ins Gesicht
und schüttelte den Kopf, bis der Pferdeschwanz wie bei einem
hysterischen Rodeogaul herumwirbelte.
    Anton schloss die Augen, um dem zu entgehen, was jetzt folgte,
doch unter einem unerklärlichen, selbstquälerischen Zwang öffnete er
sie wieder und schaute seinen Mandanten an. Ziggy tat genau das, was
Anton erwartet hatte, das, was er jedes Mal tat, wenn er erst auf diese
nervöse Art den Kopf schüttelte. Er fing an zu zwinkern. Ziggy hatte
diesen entsetzlichen nervösen Tick, bei dem sein rechtes Auge sich
selbstständig zu machen schien. Es zuckte und ruckte und drängte nach
vorn, als wollte es aus dem Kopf hüpfen. Anton starrte schaudernd auf
das Auge, wie es ihn anglubschte, auf-zu, auf-zu, auf-zu, ein mit
scheußlichem Eigenleben beseelter Parasit, gleich würde es sich aus
seiner blutigen Höhle lösen und ihn anspringen … Herr im
Himmel, wie hatte es geschehen können, dass ihm dieses Mandat
übertragen worden war?
    »Is was?«, fragte Ziggy. Auf-zu, auf-zu.
    »Nein«, sagte Anton. »Überhaupt nichts.«
    Er wühlte in den Tiefen seiner Robe herum und fand sofort, was
er brauchte.
    Doch die Magentablette war eine karge, bröselige
Henkersmahlzeit, und sie schien das Rumoren in seinem Inneren noch zu
verstärken, anstatt es zu besänftigen.
    Die Tür zum Korridor fiel mit einem Knall zu, der etwas
Endgültiges an sich hatte.
    Anton war plötzlich wieder ein kleiner Junge und glaubte, die
Stimme seiner Mutter zu hören. Er war vom Fahrrad gefallen und hatte
sich zwei Finger gebrochen.
    Nicht weinen, sagte seine Mutter. Männer weinen nicht. Das
gehört sich nicht. Du musst tapfer sein. Trag es wie ein Mann, Anton.
    Der Vorsitzende eröffnete die Verhandlung, und Anton bereitete
sich darauf vor, die Niederlage seines Lebens wie ein Mann zu tragen.
    Auf dem Korridor stand Herbert Schartenbrink
inmitten des Gewimmels der übrigen Reporter. Sein Kameramann hatte sich
so postiert, dass er die geschlossene Tür zum Gerichtssaal im Bild
hatte, mit Schartenbrink davor, der ernst ins Mikro sprach. »Soeben
wurde Ziggy der Zigeuner zur Schlussverhandlung vorgeführt und von
seinem Verteidiger, Herrn Dr. Anton Winkler, begrüßt. Wie zu sehen war,
trug Ziggy Brillanten von hohem Wert. Seine gesamte Erscheinung kündet
von Reichtum, von großem Reichtum. Ob dieser Wohlstand mit dem
plötzlichen Ableben von Wilhelm Tellmeier zusammenhängt? Mit höchster
Spannung erwarten die Menschen hier vor dem Gerichtssaal das Ende des
Prozesses. Leider ist wie üblich die Presse von der Berichterstattung
direkt aus dem Gerichtssaal ausgeschlossen. Aber wir bleiben für Sie am
Ball. Ich bin Herbert Schartenbrink von AMS …«

Schwere
Prüfungen
    F lora nahm die Fernbedienung vom Couchtisch
und knipste dem aufgeblasenen Wicht den Ton weg. Es war nicht
auszuhalten. Seit Tagen sah und hörte man in den Medien nichts anderes.
Ziggys Brillis, Ziggys Anzug, Ziggys Untaten, Ziggys Chancen. Und jetzt
noch Ziggys Anwalt, der wie ein verhindertes männliches Armani-Model in
die Kamera grinste und Mist laberte.
    Flora saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem abgeschabten
Sofa, den Daumennagel zwischen den Zähnen und den gewölbten Bauch in
bedrohlicher Nähe zur Tastatur ihres aufgeklappten Laptops, den sie auf
ihre Knie gebettet hatte. Sie starrte auf das Display und las, was sie
zuletzt geschrieben hatte.
    Florinda war schon immer der Meinung gewesen, dass
ein Banküberfall nicht
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