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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann
Autoren: Eva Völler
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Umklammerung und schob die Finger in ihre
farbverschmierte Mähne.
    »He, das ist unheimlich ölig«, sagte sie besorgt. »Das klebt
total!«
    Heiner stellte fest, dass seine Lust nachgelassen hatte, und
verdoppelte seine Bemühungen. Es gab keinen größeren Frust, als
mittendrin aufzuhören.
    »Das geht wieder raus«, versicherte er.
    »Womit denn?«
    »Mit Terpentin.«
    »Wahnsinn!«
    »Kannst du mir einen Gefallen tun, Tamara?«
    »Aber nur, wen's nichts Perverses ist.«
    »Halt einfach nur die Klappe.«
    »Okay, kein Problem. Ich bin sofort still.« Sie schwieg für
genau eine halbe Sekunde, dann: »Kannst du noch? Ich hab das Gefühl, du
rutschst raus. Sollen wir lieber aufhören mit der Performance?«
    »Himmel, sei doch einfach still!«
    »Dann küss mich doch, du Wahnsinnstyp!«
    Tamara lag in Antons italienisch gestyltem
Designerbad in der Wanne, um sich herum Berge von Schaum. Sie schrubbte
gerade eines ihrer perfekten Knie, als Anton hereinkam. Er stelle sich
vors Waschbecken und musterte sich im Spiegel. Zwischen seinen Zähnen
steckte ein halbes Marmeladenbrötchen, weil er keine Hand frei hatte.
Er kämpfte mit seinem Schlips und stieß dabei unartikulierte Laute aus.
    »Wargdamagla?«
    »Häh?«
    Er nahm das Brötchen heraus und legte es neben seinen
Zahnputzbecher. »Wünschst du mir Glück?«
    »Wozu?«
    »Du weißt doch.« Anton zerrte an seiner Krawatte und brachte
sie mühevoll in die richtige Position. »Für den Prozess.«
    »Für welchen?«
    »Hör mal, ich hab dir doch davon erzählt. Ziggy der Zigeuner.«
    »Ach so, der Betonmörder.«
    »Genau der«, sagte Anton.
    Tamara schöpfte Wasser über ihre vollkommenen Brüste. Sie
fand, dass sie ziemlich schweinchenrosa aussahen. Sie würde wohl doch
noch eine Flasche Terpentin aufmachen müssen.
    Anton kam zur Wanne und ging in die Hocke, um Tamara zu
küssen. Sie drehte den Kopf weg und hielt ihm halbherzig die Wange hin.
    »Heut halte ich mein Schlussplädoyer«, sagte Anton irritiert.
»Wenn alles gut läuft, werde ich Partner. Dann werde ich noch mehr Geld
verdienen.«
    »Na, in dem Fall wünsch ich dir viel Glück.«
    »Danke.« Anton schnüffelte an Tamaras Hals. »Das riecht
irgendwie nach … Warte mal … Es riecht wie …«
    »Terpentin«, sagte Tamara.
    »Terpentin. Genau.«
    »Ich war gestern vorsprechen.«
    »Mit Terpentin«, sagte Anton trocken.
    »Ja doch. Ein modernes Stück, weißt du. Mit viel Farbe.«
    »Ah ja.« Anton richtete sich wieder auf und zupfte ein paar
imaginäre Falten aus seinem italienischen Designeranzug. »Und? Hast du
die Rolle gekriegt?«
    »Der Intendant hat sich noch nicht entschieden. Ich muss noch
ein paarmal hin.«
    »Ich wünsch dir Glück«, sagte Anton. Dabei sah er die
currygelben Farbreflexe in Tamaras aufgesteckten Haaren. Arme Tamara.
Für die Bühne nahm sie manchmal mehr auf sich, als ihr gut tat.
    »Dann haben wir uns ja jetzt beide Glück gewünscht«, meinte
Tamara leichthin. Anton hatte den Eindruck, als erwartete sie
irgendetwas von ihm.
    Er ging zurück zum Spiegel, rückte seine Goldrandbrille gerade
und setzte sein vertrauenswürdigstes Gesicht auf. »Herr Vorsitzender,
werte Herren Beisitzende. Meine Damen und Herren Schöffen. Ausgehend
von der Tatsache, dass beide Zeuginnen unabhängig voneinander glaubhaft
bekundet haben, dass der Angeklagte zum mutmaßlichen Zeitpunkt des
Todes …«
    »Kannst du nicht draußen üben?« Tamara sackte zehn Zentimeter
tiefer ins Wasser und blies mit gespitzten Lippen einen Luftkorridor
durch das rosafarbene Schaumgebirge. »Diese ganze Strafprozess-Scheiße
deprimiert mich irgendwie.«
    Mich auch, dachte Anton. Tamara hätte ein bisschen mehr
Anteilnahme zeigen können. In den vier Monaten, die sie jetzt bei ihm
wohnte, war ihre anfängliche Begeisterung über seinen Beruf bald
Desinteresse und dann unverhohlener Abneigung gewichen. Sie bekam
sofort Depressionen, wenn er ihr von seinen Prozessen erzählte.
Jedenfalls behauptete sie das. Wahrscheinlich stimmte es sogar. Warum
sollte sie deswegen lügen?
    Antons Magen rumpelte schmerzhaft bei dieser Erkenntnis. Er
tastete über seine Brusttasche und spürte den verlässlichen Umriss der
Tablettenpackung. Wenigstens war ihm jetzt völlig klar, was Tamara von
ihm erwartete. Es war so deutlich, als hätte sie es laut gesagt. Anton,
raus hier.
    Er nahm sein Brötchen und ging in die Küche, auch hier
italienisches Design mit viel Marmor, Chrom und azurblauen,
hochglänzenden Kunststofffronten.
    Er
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