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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann
Autoren: Eva Völler
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einer aufgegebenen Lagerhalle, gedrängt voll mit
überdimensionalen Leinwänden, Farbdosen und -tuben, Pinselgläsern und
Paletten.
    Der Pinsel fuhr über Tamaras nackte Brüste, dann über den
Bauch und die Oberschenkel.
    »Wahnsinn«, sagte Tamara. »Dieses Gefühl ist einfach Wahnsinn.«
    »Kunst«, verbesserte Heiner sie.
    »Jedenfalls fühlt es sich tierisch an.«
    »So ist das manchmal bei der Kunst.« Heiner wühlte mit dem
Pinsel in einem fetten Farbklecks auf seiner Palette herum und bemalte
sorgsam seine eigene Vorderfront, wobei er gewisse Teile seiner
Anatomie allerdings aussparte. Einen Tropfen, der auf sein bestes Stück
fiel, wischte er mit einem farbverschmierten Lappen ab.
    »Bück dich mal!«, befahl er.
    Tamara bückte sich gehorsam, und das lange brünette Haar
wallte dekorativ über ihr Gesicht und um ihre Schultern, als sie
erwartungsvoll zu Heiner hochschaute.
    »Was kommt jetzt?«
    »Dreimal darfst du raten.«
    Er warf den Pinsel zur Seite und sich selbst auf Tamara.
    »Wahnsinn«, stieß sie hervor. »Das ist so wahn-sin-nig geil!«
    Heiner begutachtete die Farbabdrücke, die er mit seinen
feurigen Lenden auf Tamaras Hintern erzeugte, und wünschte sich dabei,
sie würde nicht andauernd Wahnsinn sagen. Ständig sagte sie Dinge wie:
Du bist ein Wahnsinnstyp oder: Heut bist du ja wieder wahnsinnig drauf
oder: Bei unserem letzten Neunundsechziger bist du ja wieder mal
wahnsinnig gekommen.
    Heiner machte sich keine Illusionen darüber, dass man
heutzutage an die Kunstnähe des Ottonormalbanausen keine überzogenen
Anforderungen stellen durfte, aber bei Tamara war eine Extraportion
Langmut nötig, und das, obwohl sie sich paradoxerweise selbst für eine
geniale Künstlerin hielt.
    Außerdem fand er, dass ihn Tamaras Wahnsinns-Sprüche allzu
sehr in die Nähe solcher Genies wie van Gogh oder Beuys rückte. Nicht,
dass er etwas gegen van Gogh gehabt hätte, zumindest nicht gegen dessen
Bilder. Die waren völlig okay. Aber der Typ selbst war eindeutig schizo
gewesen. Bei Beuys war das wohl eher umgekehrt, obwohl Heiner nicht
sein letztes Geld darauf verwetten würde.
    Noch bevor Tamara den Mund öffnete, wusste Heiner, dass sie
wieder einen ihrer Stabreime ablassen würde. Sie war
Schauspielschülerin und übte bei jeder Gelegenheit und in jeder
Stimmung.
    Tamara hob den Lappen auf, den Heiner fallen gelassen hatte.
Sie presste ihn sich vor die Nase und schnüffelte wie ein Kaninchen.
»Wahnsinn. Wie wunderbar widerlich wild weht dies!«
    »Tu das nicht«, keuchte Heiner.
    »Was?«
    »Nichts.«
    »Grandioser, großartiger Guru, du!«, schrie Tamara in höchsten
Tönen der Lust.
    »Grundgütiger«, stöhnte Heiner.
    »Genau«, stöhnte Tamara zurück.
    Grässlich, dachte Heiner. Aber immer noch besser als der
geifernde Gebieter grapschender Greifwerkzeuge (letzte Woche) oder der
zügig zappelnde Zampano (vorletzte Woche).
    Er hatte den Eindruck, dass Tamara in dieser Position zu viel
Bewegungs- und Redefreiheit hatte. Seine Arme waren ungefähr einen
halben Meter zu kurz, um ihr von hinten den Mund zuzuhalten, deshalb
wechselte er die Stellung, drehte sie zu sich herum, drückte sie auf
den Boden und legte sich auf sie. Vorsichtshalber umklammerte er ihre
Hände, damit sie nicht zu viel Blödsinn damit anrichtete. Wenn sie in
Fahrt kam, konnte sie ihm den Rücken bis aufs Blut zerkratzen. Es
machte ihr nichts aus, auf dem zugigen, kalten Boden zu liegen. Sie
hatte, wie er schon festgestellt hatte, in sexueller Hinsicht eine
leicht masochistische Ader. Er selbst fand es auf dem Boden ziemlich
unbequem, aber solange er oben liegen konnte, ging's ganz gut. Es hätte
eine Idee wärmer sein können, aber der Heizstrahler kostete Strom, und
Strom kostete Geld. Flora machte ihm in letzter Zeit ohnehin wegen der
Finanzen die Hölle heiß; sie hatte ihm sogar allen Ernstes
vorgeschlagen, das Atelier aufzugeben.
    Die nasse Farbe schmatzte und quietschte. Heiner stützte sich
auf den Ellbogen und betrachtete die entstandenen Muster auf ihrer
beider Haut. Sein Bauch sah aus wie bei einem ausgeweideten Zombie.
Tamaras Brüste waren wippende, magentarote Hügel.
    Tamara warf den Kopf hin und her und quetschte dabei langsam
eine Farbtube aus, die zufällig neben ihrem Ohr lag. Wie ein
curryfarbener Wurm schlängelte die Farbe hervor und erzeugte gitter-
und spiralförmige Effekte in Tamaras dunklem Haar. Heiner war
begeistert.
    Tamara weniger. »Scheiße«, sagte sie entsetzt, zerrte einen
Arm aus Heiners
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