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Neobooks - Transalp 5

Neobooks - Transalp 5

Titel: Neobooks - Transalp 5
Autoren: Marc Ritter , CUS
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    Buch 5
    DONNERSTAG, 14. Juni 2012
Silberner Hansl, 1560 Meter
    S pindler wurde von der Kälte geweckt. Ein sternenklarer Himmel wölbte sich über ihm, die Milchstraße funkelte. Über dem Lafatscher Joch erhellte der ferne Lichtschein von Innsbruck die paar Wölkchen am Himmel. Unten am Bach bimmelten Kuhglocken.
    Das Moos war nass, seine Jacke feucht. Das war ein gutes Zeichen – das Wetter würde schön bleiben. Unwillkürlich fasste er nach dem Rucksack: Das Paket war da und sicher im Rucksack verstaut. Er zog sich zwei weitere Kleiderschichten an. Seine Füße waren vom langen Gehen geschwollen und hatten sich nach dem kalten Bad entspannt. Sie wollten kaum mehr in die Schuhe passen. Irgendwie ging es dann doch, es musste ja. In ein oder zwei Stunden würde der Mond aufgehen.
    Eine halbe Stunde später war er am Hallerangerhaus. Lange verharrte er in sicherer Entfernung, um auszuspähen, ob sich nicht etwas regte. Doch die ganze Hütte schlief. Auf die Hüttenruhe war eben immer noch Verlass. Er hörte nur das leise Brummen des Stromgenerators. Er drückte die Hüttentür auf. Sie war wie immer in den größeren Alpenvereinshütten unverschlossen. Falls spätabends noch jemand kam oder in der ersten Dämmerung schon jemand loszog. Er tastete sich im Schein einer Taschenlampe zum Schuh- und Trockenraum vor. Drinnen standen die Holzregale voll mit Wander-, Trekking-, Bergschuhen sowie einigen der Schlappen, die auf Hütten als Hausschuhe angeboten werden. Stöcke, ein paar Kletterseile, Anoraks. Verschwitzte Feinripp-Unterhemden hingen zum Trocknen von den Heizungsrohren an der Decke. Die Schuhe waren bunt geworden in den letzten Jahren. Hier fanden sich meist neue Modelle. Offenbar von Leuten ohne viel Bergerfahrung. Vor zwei Paaren alter Bundeswehrstiefeln auf dem obersten Regalbrett blieb Spindler stehen. Das mussten sie sein. In der Mitte des Raums warf er alle Stiefel aus den Regalen zu einem Haufen zusammen. Nur zwei Stiefel nahm er an den Schuhbändern und verließ leise die Hütte.
    Er hatte heute Nacht noch viel vor: In der Kühle des Mondscheins hinunter ins Inntal und auf der anderen Seite wieder hinauf. Er musste noch einen Brief schreiben. Noch vor neun Uhr durch die Schranke sein.
Du musst gehen, gehen, gehen! Morgen holen die anderen auf. Einmal im Inntal unten, können sie alle Verkehrmittel nutzen für die langen Seitentäler wie das Zillertal und das Tuxer Tal. Sie können dich locker überholen und dir den Weg abschneiden. Sie sind schnell. Und viele. Sie setzen die modernste Technik ein. Du bist langsam. Du hast Demut vor den Bergen. Das haben die anderen nicht. Die Berge sind auf deiner Seite!
    Hall im Inntal, 550 Meter, 6.20 Uhr
    Es war ein gutes Gefühl, mal wieder einen Brief einzuwerfen. Vom Karwendelhaus stammte die Ansichtskarte, Umschlag und Briefmarke von der Trafik am Bahnhof, die bereits geöffnet hatte. Einen, maximal zwei Tage würde es dauern, bis der Brief ankäme – das war vielleicht zu langsam. Dafür war der Brief das am besten geschützte Kommunikationsmittel. Das Briefgeheimnis garantiert schließlich die Verfassung, was man vom Datenschutz bei den Internetdiensten nicht sagen konnte. Hätte er eine Reiseschreibmaschine dabeigehabt, hätte er sie liebend gerne benutzt – funktioniert ohne Strom und Akku, nicht überwachbar, garantiert virenfrei. Wahrscheinlich war dies der letzte Brief, den er in seinem Leben geschrieben hatte. Aber was für einer war das – er war sehr gespannt, wie die Kerle reagieren würden!
    Hallerangerhaus, 7.30 Uhr
    Es war nicht länger auszuhalten. Seit sechs Uhr früh standen Leute auf, legten sich wieder hin, kramten in ihren Taschen, suchten Verlorenes zwischen den Matratzen. Stephanie Gärtner stand auf. Das Lager neben ihr war leer. Plank war schon frühstücken gegangen. Sie drehte sich in die andere Richtung. Der Tiroler vom Abend vorher war auch weg. Sie packte ihre sieben Sachen zusammen und stieg in die Stube hinab. Da saß Plank hinter einem bereits leer gegessenen Teller und einem Tee.
    »War’s länger gestern Abend?«, fragte er sie als Begrüßung. Er hatte eine richtige Saulaune. Das hörte und das sah man.
    »Schaue ich so aus?«
    »Ehrlich?«
    »Lieber nicht.«
    »Nein, du schaust super aus. Wie aus dem Ei gepellt. War vielleicht die zärtliche Behandlung, die dir der Tiroler Wanderbursch hat zukommen lassen.«
    »Das hast du gemerkt? Ich habe gedacht, du schläfst …«
    »Annäherungen im Matratzenlager? Da hätte
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