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König 02 - Königsmacher

König 02 - Königsmacher

Titel: König 02 - Königsmacher
Autoren: Karen Miller
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Prolog
    Neunhundertsiebenundneunzig… neunhundertachtundneunzig…
    neunhundertneunundneunzig… eintausend!
    Asher öffnete die Augen.
Endlich….
    Es war Zeit zu gehen.
    Mit angehaltenem Atem schob er sich aus seinem alten, knarrenden Bett und setzte die nackten Füße auf den Boden, so sachte, wie die aufgehende Sonne die Mündung des Restharvener Naturhafens küsste.
    In dem anderen Bett wälzte sein Bruder Bede sich im Schlaf, regte sich und grunzte unter seinen Decken. Asher wartete, verharrte reglos zwischen zwei Herzschlägen. Bede grunzte abermals, dann begann er zu schnarchen, und Asher stieß einen lautlosen Seufzer der Erleichterung aus. Barl sei gedankt, dass sie sich dieses Zimmer nicht noch immer mit Niko teilten. Es reichte, wenn eine Fliege furzte, und der verdammte Niko wachte fluchend auf. Wenn Niko noch hier geschlafen hätte, wäre es unmöglich gewesen, sich unbemerkt aus dem Haus zu stehlen.
    Aber nachdem Wishus sich endlich mit Pippa verheiratet hatte, diesem Zankteufel von einer Frau, und aus seiner Einzelkammer in ein eigenes Steinhäuschen in der Hakengasse gezogen war, hatte Niko sofort dessen frei gewordenes Zimmer in Besitz genommen. Er hatte festgestellt, dass es sein gutes Recht sei, da er der älteste Bruder war, der noch zu Hause wohnte - und wem dieser Grund nicht einleuchtete, dem bläute er ihn mit den Fäusten ein. Als Jüngstem stand Asher kein eigenes Zimmer zu. Als Jüngstem standen ihm eine Menge Dinge nicht zu. Obwohl er zwanzig Jahre alt und ein Mann war und hätte heiraten können, wenn er es gewollt hätte. Wenn es in Restharven oder irgendwo sonst an der Küste eine Frau gegeben hätte, bei der ihm das Herz schneller schlug - und zwar länger als für die Dauer eines Kusses und einiger kurzer Liebkosungen auf den Klippen über dem Meer.
    Er nahm seine Stiefel vom Fußende des Bettes und schlich sich hinaus auf den Flur und vorbei an Nikos geschlossener Tür. Vor Pas Zimmer zögerte er. Schaute hinein.
    Pa war nicht da. Das wechselnde Mondlicht enthüllte das durchgelegene, leere Doppelbett. Die Decken waren unberührt, ebenso wie das einzige Kissen auf der Matratze. Der Raum verströmte einen modrigen Geruch; er wirkte verlassen, obwohl noch jemand darin lebte. Wenn er die Augen schloss, konnte er beinahe eine Andeutung von Mas süßem Parfüm wahrnehmen.
    Aber nur beinahe und nur, wenn er es sich einbildete. Ma war lange tot und begraben, und alles, was von ihrem Parfüm übrig geblieben war, war eine aufgebrauchte Flasche, die Pa auf dem staubigen Fenstersims aufbewahrte. Asher ging weiter, ein Geist im Haus seiner Familie.
    Er fand seinen Vater im Wohnzimmer, wo er der Länge nach in seinem Sessel lag und schnarchte. Auf dem Tisch neben seiner rechten Hand stand ein leerer Bierkrug; der Humpen lag ihm auf dem Teppich umgekippt zu Füßen. Säuerlicher Gestank nach vergossenem Bier und durchweichter Wolle stach Asher in die Nase.
    Die Vorhänge des Wohnzimmers waren noch geöffnet, und das Mondlicht fiel in Streifen auf Boden und Sessel. Auf Pa. Asher blickte auf ihn hinab, und ein Anflug von schlechtem Gewissen durchzuckte ihn. Sein Vater sah so
müde
aus, wenn er auch jedes Recht dazu hatte. Er ging auf die sechzig zu. Wenn man ihn auf See erlebte, war es schwer zu glauben, dass er sieben Söhne hatte und bereits elf Enkel. Er führte tageweise das Kommando auf Fischkuttern anderer Eigner, brüllte seine Befehle hinaus und übertönte die Elemente, hievte Netze voller Fisch an Bord, nahm sie aus und feilschte mit den Händlern um die Preise dafür. Es gab im ganzen Königreich von Lur keinen Mann, der den Wellen so zu trotzen vermochte wie Pa. Der nur mit einem Haken an einer Schnur den springenden Sägefisch fing oder einen Volly mit seinen leuchtenden Schuppen von der Reling aus ergriff und mit bloßen Händen tötete.
    Aber jetzt und hier im silbrigen Mondlicht sprachen das schüttere graue Haar und das in sorgenvollem Schlaf eingefallene, wettergegerbte Gesicht eine andere Sprache, und die sechzig Jahre, die er hinter sich hatte, waren nicht zu verleugnen.
    Pa war alt. Er war alt, und Arbeit und Gram laugten ihn zunehmend aus. Die Stiefel noch in den Händen, ging Asher neben seinem Vater in die Hocke. Eine gewaltige Woge der Liebe schlug über ihm zusammen. Er würde dieses Gesicht vermissen, mit der schiefen Nase, die Pa sich bei einer trunkenen Schlägerei um Ma gebrochen hatte, als er ihr den Hof gemacht hatte. Sein Blick fiel auf das vernarbte Kinn,
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