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Ein Sohn für den Scheich

Ein Sohn für den Scheich

Titel: Ein Sohn für den Scheich
Autoren: Michelle Reid
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1. KAPITEL
    Nachdem ihm der Brief aus London übergeben worden war, ging Scheich Hassan ben Khalifa Al-Qadim in sein Büro und legte ihn ungelesen auf den Schreibtisch, wo bereits drei andere Schreiben desselben Absenders lagen.
    Ohne sie eines Blickes zu würdigen, ging er weiter zum Fenster und sah hinaus auf die Feigenhaine jenseits der Oase von Al-Qadim, die der Wüste durch künstliche Bewässerung abgetrotzt worden waren.
    Doch die mächtigen Dünen am Horizont waren wie eine unausgesprochene Warnung davor, dem Frieden zu trauen. Ein einziger starker Sandsturm könnte die jahrelange Arbeit zunichtemachen und das fruchtbare Land über Nacht wieder in das Ödland verwandeln, das es einst gewesen war.
    Weil er um die Unbarmherzigkeit wusste, mit der die Natur die Pläne des Menschen durchkreuzen konnte, hatte Hassan es sich zur Gewohnheit gemacht, vor jeder wichtigen Entscheidung in die Wüste zu reiten, um dort Rat zu suchen.
    Die Entscheidung, die nun zu treffen war, duldete jedoch keinen weiteren Aufschub. Dafür hatte er sich bereits zu lange geweigert, mit dem Inhalt der Briefe das Unheil zur Kenntnis zu nehmen, das sich über ihm zusammenbraute.
    Inzwischen standen die Zeichen längst auf Sturm, wie Hassan jedes Mal schmerzlich bewusst wurde, wenn er sein Büro verließ und mit den Wünschen und Forderungen seines Vaters, seines Halbbruders und tausend anderer Menschen konfrontiert wurde, die zu Recht von ihm erwarteten, dass er, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, seinen Verpflichtungen als Thronfolger des kleinen Emirats Rahman am Persischen Golf nachkam.
    Ehe er seinen Entschluss in die Tat umsetzen und zum Telefonhörer greifen konnte, klopfte es. Auf seine Aufforderung hin öffnete sein Privatsekretär und wichtigster Berater Faysal die Tür. Doch anstatt zu Hassan zu gehen und ihm den Grund für die Störung zu nennen, blieb er auf der Schwelle stehen und wartete, bis der Scheich ihn ausdrücklich dazu aufforderte.
    “Was führt dich zu mir?”, erkundigte sich Hassan, dem die an Unterwürfigkeit grenzende Förmlichkeit nicht nur in Momenten wie diesem übertrieben schien.
    Erst nach einer respektvollen Verbeugung trat Faysal ein, schloss die Tür hinter sich, durchquerte den Raum und blieb in gebührlichem Abstand vor Hassans Schreibtisch stehen. “Es gibt Neuigkeiten, mein Herr”, erwiderte er und fügte hinzu: “Leider keine guten. Scheich Abdul zieht in seiner Sommerresidenz eine Gruppe Gleichgesinnter zusammen. Laut Auskunft eines Informanten, der sich eingeschleust hat, spitzt sich die Lage bedrohlich zu.”
    Zu seiner Verwunderung ging Scheich Hassan mit keinem Wort auf die besorgniserregende Nachricht ein. “Und was weißt du von meiner Frau?”, erkundigte er sich stattdessen.
    “Die Prinzessin weilt noch immer in Spanien, mein Herr”, teilte Hassan ihm gewohnt förmlich mit. “Sie unterstützt ihren Vater bei der Vermarktung der neuen Ferienanlage von San Estéban. Nach meinen Informationen überwacht sie derzeit die Einrichtung und Möblierung der Villen, die zum Verkauf stehen.”
    Was Hassan nicht überraschte. In seinem Büro fanden sich genügend Beweise für Leonas Ehrgeiz als Innenarchitektin – und das, obwohl sie diesen Beruf nie erlernt hatte.
    “Man könnte fast meinen, du wolltest Besucher abschrecken”, hatte ihre Begründung für die Veränderungen gelautet, die sie in Hassans Büro vorgenommen hatte. Dass genau das seine Absicht gewesen war, war ihr nicht einmal in den Sinn gekommen.
    Doch weil ihr Lächeln unwiderstehlich war, hatte Hassan nicht widersprochen, als sie Bilder und Skulpturen einheimischer Künstler und einen sündhaft teuren Teppich erstanden hatte, der nun große Teile des blauen Marmorfußbodens bedeckte. Auch die Sitzgruppe vor dem Fenster war auf ihren Wunsch hin angeschafft worden. Dort hatten sie gewöhnlich gemeinsam Tee getrunken und den unvergleichlichen Ausblick ebenso genossen wie manch zärtliche Berührung, wie sie zwischen Liebenden üblich war.
    Der Ausblick war nach wie vor derselbe. Richtig genießen konnte Hassan ihn jedoch seit jenem Tag nicht mehr, an dem Leona ihn verlassen hatte und der Austausch von Zärtlichkeiten nur noch in seiner Fantasie vorkam.
    “Wie viel Zeit bleibt uns deiner Meinung nach, um ihnen das Handwerk zu legen?”, erkundigte er sich, um die Trauer, die ihn zu erfassen drohte, im Keim zu ersticken.
    “Ich fürchte, nicht allzu viel”, erwiderte Faysal. “Sie können jeden Tag zuschlagen. Deshalb
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