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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich
Autoren: Oliver Hassencamp
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läßt sie das Leder durch die Mangel drehen, wenn er Wagen wäscht, und spielt auch Ball mit ihr. Aber meist kommt gleich die Mutti und holt sie weg. Und fragt immer dasselbe Zeug: Was habt ihr gesprochen? Hat er dich was gefragt? Was hat er dich gefragt? Was hast du gesagt?
    Abends ist es manchmal ganz nett, wenn sie zu dritt fernsehen. Der Onkel sieht gern fern und scheint überhaupt alle Menschen zu kennen. Immer wenn einer erscheint und es ganz wichtig hat, weiß er, wie der heißt und was der macht und so. Manchmal schimpft er auch über einen. Aber wenn dann Theater gespielt wird, oder gesungen, dann redet er kaum was. Dabei schaut er manchmal gar nicht hin. Er hat sich überhaupt gebessert, der Onkel, seit sie hier sind. Wenn’s nach ihm ginge, dürfte Monika sicher viel mehr. Aber die Mutti ist ja so ängstlich! Wenn’s grade schön ist, heißt’s: Monika, du mußt jetzt ins Bett, die Mutti hat noch zu arbeiten! — Dabei hat die Mutti nicht einmal ihre Schreibmaschine mit.
    Und dann sind sie auf einmal nicht mehr zu dritt. Zwei Leute sind da, jünger als die Mutti, aber viel älter als Monika. Die eine von den Leuten ist die Tochter von dem Onkel heißt es, und der andere ist ihr Mann. Die Tochter von dem Onkel kennt auch die Mutti. Aber sie sprechen nicht zusammen. Dabei ist die Tochter von dem Onkel sehr lustig und zu dem Onkel, der doch ihr Vati ist, so frech. Aber den Onkel stört das nicht. Er lacht über alles, was sie sagt. Eigentlich ist er doch recht nett, viel netter als im Sommer in dem Hotel da am Meer.
    Nach dem Essen mit der frechen Tochter muß Monika gleich ins Bett. Die Mutti geht noch mal runter zu den Leuten. Auf einmal steht sie wieder da, macht Licht und ist ganz aufgeregt.
    »Steh auf Monika. Zieh dich an!«
    So schnell hat die Mutti noch nie Koffer gepackt. Und streng ist sie!
    »Frag nicht! Tu, was ich dir sage! Und sei leise!«
    Ohne ein Wort werden die vielen Sachen hinuntergetragen. Niemand ist da und hilft. Auch nicht der Onkel Alois. Draußen steht ein Taxi, und dann gehts wieder heim. Wie klein da alles ist! Und seine eigenen Schritte hört man plötzlich wieder. Komisch ist das. Auch die Mutti ist komisch. Macht eine Flasche Wein auf. Für sich ganz allein. Das hat sie noch nie gemacht. Und schaut nur immer vor sich hin. »Mutti!«
    »Was willst du?«
    »Mutti, warum haben wir uns nicht verabschiedet?«
    »Weil alle schon geschlafen haben.«
    »Warum haben wir dann nicht gewartet, bis sie wieder auf sind? Du sagst immer, wenn ich wo bin, muß ich >Auf Wiedersehn< sagen und >Vielen Dank< bevor ich gehe.«
    Auf einmal weint die Mutti. Dabei ist es doch am schönsten so zu zweit.

    Er sitzt auf seinem Bett und wählt. Tatsächlich hat er die Nummer behalten.
    »Guten Morgen, Doktor! — Ja, ich bin’s. Nach langer Zeit mal wieder. Ich weiß, ich hätte mich längst melden sollen, hatte es auch vor, aber: es war einfach zu viel los. — Ja, die Hochzeit. Und einiges mehr. — Sohn und Schwiegersohn treten in die Firma ein. Familienwettbewerb sozusagen. Ich halte nur noch die Hand drüber. Man wird alt. — Grund meines Anrufs: Ich komme einer Pflicht nach. Ein Freund von mir, nobler Handelsmann, noch von altem Schlag, klagt plötzlich... Sie kennen ihn übrigens: Schröder. Ich habe mit ihm gesprochen und er bat mich, ihn zu entrieren. Analyse wohlgemerkt! Vielleicht hätte ich mich auch dazu entschließen sollen. Aber jetzt ist das nicht mehr nötig. — Ich möchte mich verabschieden, Doktor. — Ja, ich fahre weg. Muß endlich auch mal an mich denken. Dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Die jüngsten Ereignisse geben mir Spielraum. Da muß ich zupacken. — Nein, das hat sich geändert. — Es ging nicht. Wegen des Kindes. — Grade hab ich’s ihr gesagt. Am Telefon. Wir konnten und durften da nicht an unser eigenes Glück denken. Die Verantwortung war zu groß. — Leider werde ich mich auch nach einer neuen Sekretärin umsehen müssen. Aber zuerst werd ich mich mal erholen von allem. Leben Sie wohl, Doktor! Schicken Sie mir Ihre Liquidation! Post wird nachgeschickt. — Nein, nicht weit. Südtirol. Wir haben da ein Häuschen. Ich werde vermutlich länger bleiben. Meine Frau weiß noch gar nicht, daß ich komme. — Vielleicht ziehe ich mich auch ganz zurück. Man kann ja einen Fernschreiber installieren. Und dann sich nur noch seinen Hobbys widmen. Keine Aufregung mehr für die paar Tage, die man noch hat. Man soll sich nicht zu wichtig nehmen...«
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