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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich
Autoren: Oliver Hassencamp
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so wird, wie du es wünschst. Für uns und für dich.«

    Hilde genoß die halben Feiertage zwischen Neujahr und Dreikönig. Monika gehorchte aus schlechtem Gewissen, ließ sich sogar vom Onkel an der Hand führen, wenn sie spazierengingen zwischen gemütlichem Mittagessen und gemütlichem Kaffee. Er lächelte stumm, nachmittags im Englischen Garten, abends in der Oper.
    Hilde zeigte Verständnis.
    »Tut dir so gut, die Ruhe. Man muß auch miteinander schweigen können.«
    Hilde plante Gesundheit. Im Englischen Garten. Monika hopste voraus, Hilde legte zügigen Schritt vor, um ihn aufzuladen mit neuer Kraft.
    »Atme tief! Das tut dir gut. Du mußt Farbe bekommen!« Er lächelte, drückte ihr die Hand. Seine Gedanken bekamen Farbe, eine beängstigend grelle Farbe.
    Sie meint es gut — ist glücklich mit dem bißchen das sie von mir hat — Gutmeinen reicht nicht — sogar Verstehen ist zu wenig — einmal das tun können was ich möchte — wenn ich nur ein Hobby hätte — Sonntagsspaziergang zwischen Filzhüten und Kinderwagen — das ist das Ergebnis — wie komm ich eigentlich dazu — und Hilde merkt es nicht — ich brauche etwas für mich — Werk und Hilde ist zu wenig — zwischen satten Bürgern satt Spazierengehen — dafür hab ich mich nicht gequält — das ist nicht meine Welt — hier gibts keine kleine Drehung mehr — es muß etwas geschehen verdammt noch mal
    Da kommt Hildes Hand.
    »Jetzt hast du richtig Farbe. Und ganz klare Augen.«

    Nachts träumt er seinen Tod. Er ist eingeklemmt in einer Rumpelkammer zwischen blauen Möbeln und Haushaltsgegenständen. Auch Fipsi ist da. Er bekommt keine Luft mehr. Da stürzt das Haus ein. Er wird zerbrochen, fällt und fällt...
    Morgens lächelt er.
    »Packt eure Sachen! Wir ziehen ins Haus.«
    Hilde jauchzt.
    »Das ist der schönste Tag in meinem Leben! Ich hab’s schon nicht mehr zu hoffen gewagt! Ich merke doch, wie beengt du dich fühlst!«
    Monika hat ihren Teller auf den Boden geworfen und schreit. Umsonst. In englischer Sprache fährt Hilde fort. »Jetzt wird’s auch mit Monika besser werden. Kinder brauchen klare Entscheidungen. Hast du mit dem Anwalt gesprochen? Erzähle! Was sagt deine Frau?«
    Der Wunsch ist mit der Liebe durchgegangen. Sonst hätte sie das nicht fragen können. Sie kennt seine Vorsicht.
    »Meine Frau ist in ihrem Haus«, sagt er.
    Hilde zeigt Haltung. Und ein wenig Doppelkinn. Und packt. Er tut bestimmt das Richtige. Im Werk hat sich die Taktik der kleinen Schritte immer bewährt. Alois kommt mit dem großen Wagen. Die Bürger liegen in den Fenstern. An der Peripherie, durch den Autobahnzubringer markiert, denken beide dasselbe: daß sie die Rollen getauscht haben; er fährt nach Hause, Hilde folgt ihm in die Fremde. Sie muß es riskieren. Er gibt das Stichwort zur neuen Lage.
    »Fürs erste zieht ihr in eins der Fremdenzimmer.«
    So ist er, sagt sich Hilde. Alles schön peu à peu. Sein Verantwortungsgefühl macht ihn mitunter schwerfällig. Man braucht Geduld. Dafür ist auf ihn Verlaß.
    Monika hopst auf dem Polster.
    »Feines Auto!«
    Im Hause darf sie nicht mehr hopsen. Nicht einmal im Garten.
    »Wir sind hier nur zu Gast und müssen uns entsprechend benehmen!« ermahnt die Mutti. Dabei wäre alles so schön hier, so viel Platz, ein Treppengeländer, auf dem man rutschen könnte. Und ein Schwimmbecken. Einmal ist sie die Badeleiter hinuntergeklettert und im Laub herumgeraschelt — schon kam die Mutti und hat geschimpft, und Monika mußte auf der Terrasse die Schuhe ausziehen, weil im Wohnzimmer der ganze Boden aus weißem Teppich ist. Auch in ihrem Zimmer ist alles Teppich. Und Tapete, wo man nicht einmal die Katzenbilder hinheften darf, weil das sonst Löcher gibt. Alles ist empfindlich, und am empfindlichsten ist die Mutti. Immer gibt es Schimpfe, weil der Onkel alles, was Monika macht, nicht leiden kann. Heißt es. Dabei ist der gar nicht so. Er schimpft nie! Schlimm ist nur, daß sie mit niemand reden kann. In der Schule darf sie nicht sagen, wo sie jetzt wohnt, und dabei wäre das eine tolle Neuigkeit. Die würden staunen! Aber lange wird Monika nicht mehr den Mund halten können, so sehr die Mutti auch darum gebeten hat. Ein paar Mädchen haben gemerkt, daß sie neuerdings mit dem Auto gebracht und abgeholt wird. Obwohl der Chauffeur immer in einer Seitenstraße wartet. Lustig ist es eigentlich nur in der Küche. Da darf sie noch am meisten. Die Frau, die kocht, läßt Monika helfen. Und probieren. Und Onkel Alois
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