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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich
Autoren: Oliver Hassencamp
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ist soweit. Alois hat ihn im Werk abgeholt. Der repräsentative Wagen biegt vom Ring nach rechts ab, nach Hause zum Urlaub auf Ehrenwort. Kühl, aber nicht unfreundlich empfängt ihn seine Frau. Er hat kein schlechtes Gewissen, lächelt, nicht aus Verlegenheit, sondern weil er sich freut, einfach freut, am gewohnten Geruch, an der geräumigen Diele, an der Treppe, an seinem Zimmer, am Bad. Ein neues Stück Seife liegt bereit. Seine Seife. Eine Schere ist da; er kann sich die Haare in den Ohren stutzen. Fabelhaft die Saugkraft des dicken Frotteetuchs, die Zartheit des Toilettenpapiers, das ausgelegte Ankleidezimmer, die übersichtlichen Schübe mit den Hemden. Die gewohnten Handgriffe stellen sich wieder ein, in gewohnter Reihenfolge, nichts muß er suchen, alles ist da, an seinem Platz. Genuß der Ordnung wie nach langer Reise. Vor dem Kaminfeuer steht der Tee. Seine Marke: Mandarin Pekoe von Fortnum & Mason, London, zubereitet in gewohnter Weise: one teaspoon for the pot, one for the person.
    Golo trägt einen Blazer, hat sich einen Schnurrbart wachsen lassen, sieht eher albern aus als männlich. Stephanie setzt sich neben ihren Vater. Sie trägt enge Hosen und eine weite Wolljacke darüber. Nichts ist zu sehen. Seine Frau auf dem Sofa gegenüber schenkt ein, stellt die schwere Silberkanne weg, alle heben die Köpfe, warten.
    Er nimmt einen Schluck.
    »Der Tee ist ausgezeichnet!«
    Die Familie lächelt und wartet.
    Geflissentlich erkundigt er sich nach Golos neuem Studium, nach den werdenden Seinen, erfährt, daß die Ölheizung verbessert und eine ausgezeichnete Köchin eingestellt wurde. Auch die klemmende Tür sei gerichtet. Alles, als wäre er wirklich nur verreist gewesen.
    Stephanie lehnt sich neben ihm ins Polster, sieht ihn an, wie ein Mädchen einen Mann ansieht, der ihm gefällt. Kein schnippisches Wort auf Komplicenebene, ganz Tochter, schutzbedürftig, fügsam und sichtlich zufrieden. Ihre Hände kommen ihm erwachsener vor. Er muß sie anfassen, wählt ein Knie und stellt die bisher vergessene Frage:
    »Sag mal Kleines, wie heißt du in Zukunft? Ich kann mir das nicht merken.«
    »Ich auch nicht!« antwortet Golo.
    Der Vater erschrickt immer ein wenig, wenn Golo etwas sagt. Es kommt so plötzlich, wie von ungefähr, der Schnauzbart verdeckt die Lippen.
    »Pfeffges«, sagt Stephanie. »Frau Detlef Pfeffges.«
    »Pfeffges«, wiederholt der Vater. »Ganz richtig: Pfeffges. Wo kommt der Name eigentlich her?«
    Stephanie hat keine Ahnung. Er greift zur Tasse, seine Frau schenkt nach, Golo reicht ihm Zucker. Da ist wieder die väterliche Hand:
    »Ja Frau Steffges... Pfeffges, hoffentlich habe ich Ihre Hochzeit zu Ihrer Zufriedenheit arrangiert?«
    Stephanie nickte und gab ihm einen Kuß. Seine Frau schaute weg. Sie besprachen den Ablauf, an dem nichts mehr zu besprechen war, und er entwickelte neue Ideen, die andere Abläufe voraussetzten. Das Mädchen brachte Sandwiches und Tiroler Wein, als habe man einen Gast. Nachdem alles besprochen war, faßte er noch einmal zusammen, trank wieder Tee und entwickelte neue Möglichkeiten. Golo entschuldigte sich, er müsse zu seiner Familie. Stephanie entschuldigte sich. Sie müsse telefonieren. Mit ihrer Familie. Die zurückgelassenen Eltern saßen am Kamin und entschuldigten sich gleichzeitig. Es ergab sich, daß sie die Lichter löschten und zusammen das Zimmer verließen, wie eine ordentliche Familie.
    Frage des Heimgekehrten auf der Treppe.
    »Wer kommt eigentlich von der Gegenseite?«
    »Gegenseite ist gut«, sagt seine Frau.
    Sie zählt auf. Er hört ihr zu, erfährt allerlei Wissenswertes über Pfeffges: daß sie in größerer Besetzung kommen wollen, daß Detlef zwei oder drei Jahre in Indonesien war. Im Ankleidezimmer läuft der Familiendialog weiter. Sie putzen sich die Zähne, er zieht die Hose aus, will sie in den Spanner klemmen, sie hält ihn am Arm.
    »Leg sie raus zum Bügeln. Und die Anzüge auch.«
    »Du hast recht. Sie haben’s nötig. Ich kam mir ein bißchen unordentlich vor.«
    »Uns auch.«
    »Du bist wohltuend vernünftig, Liebes.«
    »Reiner Egoismus. Schlaf dich aus. Es wird anstrengend werden. Gute Nacht.«
    »Was ich dich schon lange fragen wollte: Hast du jetzt ein Haus gefunden?«
    »Darüber reden wir nach der Hochzeit. Bei uns eilt es ja nicht. Oder? Gute Nacht.«
    Barfuß geht er über den dicken Velours, gähnt, bewegt die Zehen. Fast hätte er vergessen Hilde anzurufen. Sie sagt ihm, daß sie ihn sehr vermisse. Er streckt sich und sagt
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