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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich
Autoren: Oliver Hassencamp
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haben.«
    Sie sieht ihn an; sein großväterliches Strahlen schrumpft. »Entschuldige, Hilde.«
    »Ich freu mich für Steffi«, sagt sie und ihre Stimme klingt freudig. »Dann hat sie ihre Familie, ihr Heim, und du bist auch eine Sorge los.«
    »Und eine Tochter. Es wird sehr turbulent werden.«
    Hilde nickt.
    »Wir müssen vernünftig sein.«
    Er drückt ihre Hände; jetzt lächelt sie:
    »Wie sagst du immer? Alles gemeinsam und keiner ist einsam.«
    Auf Hilde ist Verlaß.

    Die Kommission vom Verteidigungsministerium fuhr zufrieden und erstklassig bewirtet wieder ab. Der Chef konnte erneut »verreisen«, das hieß: zurück ins Puppenheim. Hilde fuhr ihn vom Werk in das Appartement, wo er sein Necessaire holte. Nie hatte sie über die Wohnung ein Wort verloren, auch jetzt sprach sie über andere Dinge:
    »Wenn Golo sich noch entschließt, könnte man eine Doppelhochzeit veranstalten. Dann würde sich der Aufwand wenigstens rentieren.«
    Er sah sie von der Seite an.
    Das soll sie gefälligst mir überlassen — Stephanie ist meine Tochter
    Hilde fährt sehr umsichtig, schlängelt sich geschickt durch den Strom unwendiger Fahrer. Sie kommen auf die Ringstraße. Mit Erich und Alois ist er hier immer nach rechts abgebogen, nach Bogenhausen, jetzt gehts nach links ins bewohnte Niemandsland, eine jener überall gleichen Randsiedlungen, Schnellstraßen, kilometerlang flankiert von pastellfarbenen Maikäferschachteln, versandhausmöbliert. Hier an der Peripherie verrät nur das Blau der Straßenbahnen und Omnibusse, in welcher Stadt man sich befindet. Blau ist seine Farbe nicht, blau trug er bei seiner Rede damals, blau war das Zimmer auf Capri, blau Babettes Sportwagen, auch Paul trug immer blaue Leinenhosen — aber als Münchner-Blau ist es herrlich, wie der föhnblaue Himmel. Seine Lieblingsfarbe, spinnt er den Gedanken weiter, ist grün, Stephanies Kleid in Salzburg, der Teppich in seinem Büro, Hildes Dirndl. Man könnte Hildes Wohnung neu tapezieren lassen. Grün. Man wird sehen.
    Hilde will früh zu Bett gehen. Sie sei müde, sagt sie. Er folgt ihr, trinkt, um einzuschlafen, eine Hand auf Hilde, um nicht allein zu sein, starrt hinauf zu dem Ornament, das Jalousie und Straßenbeleuchtung an die Decke zeichnen, verfolgt nicht lokalisierbare Beklemmungen, Hals, Brust, Leber, Magen, Darm, Rücken, Oberarme, fällt in kurzen unruhigen Schlaf — ein kalter Griff nach seinem Herzen, Variante des Jedermann-Traums: schweißnaß fährt er hoch, tastet im Dunkeln nach der sdhlafwarmen Hilde. Sofort ist sie wach, sofort einsatzbereit, tut, was zu tun ist, und vieles mehr, ohne Gähnen, ohne Blick auf die Uhr, sorgt umsichtig und zärtlich, als bedürfe es noch eines Beweises ihrer Liebe. Die Nächte sind Hildes beste Zeit. Vorausgesetzt, daß er ihrer bedarf. Alles hält sie bereit: Allopathisches, Homöopathisches, tröstliche Worte, vollmundigen Wein, Fröhlichkeit, Stenoblock, den liebevollen, dabei sachgerechten Zugriff ihrer Hände, sich selbst.
    Das Ornament an der Decke ist wieder da, er fühlt sich sauber im frischen Pyjama, Hilde hat sich seine Hand geholt, Wein steht eingeschenkt bereit.
    Ach ja

    Wie in jedem Jahr, wickelte Hilde auch die Weihnachtsvorbereitungen ab, legte ihm die abermals eingeschränkten Beste-Wünsche-Karten zur Unterschrift vor — heuer nicht mehr zum Aufklappen, ohne Bild, nur noch mit Firmenzeichen, dieses jedoch geprägt —, bestellte die Christstollen für die Gastarbeiter, die Einladungskarten für die Hochzeit, das Pflanzenarrangement für die Kirche, das Festessen im Hotel, telefonierte in dieser Angelegenheit auch mit seiner Frau, mit Stephanie und nach auswärts mit dem Bräutigam betreffs ihrer Wünsche, ließ in den einschlägigen Geschäften Listen auslegen, an Hand derer die Eingeladenen erwünschte Geschenke zu verschiedenen, durchweg gemäßigten Preisen, aussuchen konnten, fügte den Einladungen Karten bei, die auf die ausgelegten Listen hinwiesen, was man bitte als Erleichterung bei der Geschenkwahl verstehen möge.
    Er wollte der kniggefesten Baronin die Regie anvertrauen. Aber Hilde war schneller, bemühte sich um einen berühmten Organisten, engagierte eine Kapelle für den Polterabend, den Fotografen für die Trauung, setzte sich für die Familie ein, als inszeniere sie ihre eigene Hochzeit.
    Obwohl mit Selbstbeobachtung voll beschäftigt, erkannte er ihre Leistung an, lobte sie dafür, vertrug sich mit Monika, indem er ihr nachgab, und nahm täglich Kräuterbäder.

    Es
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