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0722 - Eiswind der Zeit

0722 - Eiswind der Zeit

Titel: 0722 - Eiswind der Zeit
Autoren: M.H. Rückert
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Das hellblaue Licht flackerte wie eine Kerzenflamme, die durch einen Windstoß bewegt wurde und verwandelte sich dabei nach kurzer Zeit in eine dunkelblaue, durchsichtige, armlange Windhose, die auf den ängstlichen Mann zuwehte.
    Er konnte die Windhose sehen!
    Und sie bewegte sich auf ihn zu. Zwei Sekunden später hatte sie den bedauernswerten Mann erreicht. Es geschah so überraschend, dass der Mann noch nicht einmal mehr schreien konnte. Erfühlte und dachte zweigleisig. Die zwei Sekunden kamen ihm auf der einen Seite wie der Millionste Teil davon vor, auf der anderen Seite schienen sie mehr als sein ganzes bisheriges Leben auszumachen. Er hob abwehrend die Hände und wirkte wie eingefroren.
    Das kann nicht sein! Die Gedanken rasten hinter seiner Stirn hin und her, als ihn die Windhose umhüllte und er nur noch wie durch einen Nebel hindurchsehen konnte. Das gibt es nicht!
    Er bemerkte nicht die lauernden Blicke des Magiers, für den er nur eine Art Versuchsobjekt darstellte, dessen Reaktion es genaustens zu beobachten galt.
    Die Zeit schien eingefroren zu sein, endlos lange dauerte diese Umhüllung, die sein Denken, Fühlen, Reagieren, Atmen, einfach alles langsamer werden ließ.
    Er spürte das Klopfen seines Herzens, so stark wie noch nie in seinem Leben.
    Und Angst!
    Zusammen mit einem dumpfen Druck, sowohl psychischer als auch physischer Art, breitete sich ein unbeschreibliches Angstgefühl in ihm aus.
    Er zitterte. Mit jeder Sekunde nahm ihn die Kälte immer mehr in ihren Besitz.
    Das Fleisch an seinen Knochen schien irgendwie locker zu werden, als ob es stundenlang gekocht worden wäre.
    Trotzdem verspürte er keine Hitze. Er zitterte stärker.
    Fünf Minuten nachdem ihn die neblige Windhose eingehüllt hatte, fiel ihm an Händen und Unterarmen Haut und Fleisch von den Knochen!
    Einfach so, ohne dass er eine Bewegung machen musste.
    Es gab ein kurzes, trockenes Geräusch, als die Teile auf den Boden fielen.
    Geschockt blickte er darauf. Er war immer noch wie paralysiert und nicht im Stande zu reagieren.
    »Das ist der Eiswind der Zeit. Fühlt sich gut an, nicht wahr?«, kicherte der Magier bösartig. »Er lässt die Zeit in deinen Zellen schneller ablaufen, du kannst diese Energie nicht ersetzen, deshalb zerfällt alles und es wird immer kälter…«
    Die Kälte umfasste alles, die ganze Welt schien auf einmal nur noch kalt zu sein. Der Mann begann zu zittern, immer noch brachte er keinen verständlichen Ton über die Lippen. Er wollte seine innere Qual hinausschreien, seine unbeschreibliche Angst, aber er brachte nur ein Gurgeln und Röcheln zu Stande. Seltsamerweise verspürte er kaum Schmerzen. Der kalte blaue Wind wirkte betäubend.
    Die Kälte kam von außen und schien nicht nur den Körper, sondern auch die Seele zu erfassen.
    Fraß dieser Wind nicht nur den Körper auf, sondern auch die Seele?
    Das Eiswind genannte Phänomen löste sich auf einen Gedankenbefehl des Magiers von seinem Opfer und verharrte, wie schwerelos, in einem Meter Höhe schwebend.
    Es war unglaublich, aber der Mann konnte den Wind nicht nur sehen, er hörte sogar das Rauschen, als sich das Phänomen von ihm wegbewegte.
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals, dass es schmerzte. Erlitt unter Schüttelfrost. Er fror zum Gotterbarmen, gleichzeitig lief ihm Schweiß in Strömen die Stirn herab. Als er den Schweiß mit den Händen abwischen wollte und die blanken Knochen seiner Hände und Unterarme sah und die Pfütze am Boden, die von Sekunde zu Sekunde größer wurde, weil unaufhörlich Blut hinuntertropfte, begriff er erst, was mit ihm geschehen war, welch einzigartigen, unersetzlichen Verlust er erlitten hatte.
    Darüber verlor er seinen Verstand. Er begann zu kreischen, hoch und schrill!
    Angst, Schock und Blutverlust forderten ihren Preis.
    Zusammen mit dem Verstand verlor er auch sein Leben!
    Langsam, ganz langsam strömte es aus ihm heraus. Das Schreien wurde leiser, krächzender, klagender…
    Die skelettierten, blutüberströmten Hände plötzlich an den Bauch gepresst, drehte er sich langsam um 180 Grad und fiel wie in Zeitlupe auf den Boden. Er stierte auf die flackernde Kerze auf dem Tisch und wusste, dass sie das Letzte war, was er in seinem Leben sehen würde.
    Es gab ein seltsames trockenes Geräusch, als er aufschlug. Irgendwie hohl.
    Etwas schien zu zersplittert wie Eiswürfel, die zerstoßen wurden.
    Der Magier lächelte immer noch, verächtlich und gleichzeitig stolz. Seine Brust hob und senkte sich deutlich wegen der
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