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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich
Autoren: Oliver Hassencamp
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ihr, daß er das auch tut. Und daß seine Anzüge gebügelt werden. Und wie es Monika gehe? Hier sei alles wie immer, kühl-freundlich, keine Vorwürfe. Plötzlich klingt ihre Stimme besorgt: Er soll sie anrufen, wenn er sich beunruhigt fühle in der Nacht. Sofort. Jederzeit. Er bedankt sich ausreichend für ihre Sorge, schnalzt ein Küßchen durch die Leitung, knipst das Licht aus — hier ist kein Ornament an der Decke — und gibt sich seinem Bett hin, der weichen Kühle, ohne kalten Griff nach seinem Herzen.
    Und morgen ist Weihnachten.
    Nebenan schreibt seine Frau in ihr Tagebuch.
    ... hatten uns das Wiedersehen problematischer vorgestellt. Nachklänge unserer Erziehung zu Eifersucht und Treue. Verändert hat er sich nicht, genießt die Ordnung, geniert sich im Grunde. Bekommt ihm ganz gut...

    Und sie feierten das Christfest, beschenkten reichlich einander, sangen zum Lobe des Herrn, küßten und bedankten sich, aßen und tranken vom Besten, ein jeglicher nach seiner Art.
    Und er verwöhnte seine Frau mit feinem Gewebe und Geschmeide, weniger nach ihren Wünschen, denn nach dem Bilde, das er sich von ihr machte. Und auch die zukünftige Schwiegertochter, die sie hinfort Anette nannten, und die beiden Mehlwürmer hatten Platz in der Herberge. Und sie waren eine große Familie und siehe da, er ließ die Kleinen zu sich kommen, nahm sie auf den Schoß, tollte mit ihnen, las die Heilsgeschichte vor, sprach Kindertümliches in rote Ohren, tätschelte die blassen Bäckchen. Und da sie sich seiner nicht erwehrten, war ihm das Ganze ein Test.
    Und es begab sich, daß er sich noch fortbegab in jener Nacht, hinaus zu den aufbaufreudigen Arbeitnehmern an der Peripherie, wo da waren die inoffiziellen Seinen. Selbst lenkte er den Stern auf allen guten Straßen, und der Sittich neben ihm in der Schachtel lobte den Herrn auf seine Weise. Und abermals schenkte er reichlich, nahm Gutgemeintes entgegen, und sie dankten einander von Herzen, sangen leise, den Frieden der Nachbarn nicht zu stören, denn es war schon spät, aßen und tranken von den Resten und küßten einander unter Monikas Protest. Und da er also auf sie aufmerksam ward, las er abermals die Heilsgeschichte, wollte die Kleine nehmen auf seinen Schoß, doch sie fürchtete sich sehr. Und siehe da, der Sittich piepste fröhlich aus seinem Gehäuse. Und obwohl er Platz gehabt hätte im puppigen Losament, nahm er alsbald Abschied, dankte noch einmal und freute sich auf sein Bett.
    Von Feiertagsruhe ist keine Rede. Unermüdlich hämmern Kirchenglocken die Satten und Beschenkten aus ihren Betten. Akustische Demonstration der vorherrschenden Religion. Bayern ist katholisch! Mögen die Protestanten längst in der Überzahl sein, an hohen Feiertagen schlägt ihnen nahezu jede Stunde. Alles hat zwei Seiten. Weihnachtliches Geläut mag auch Ungläubigen dienen, sie ermahnen, Ordnung zu halten in der Familie, zum Wohle der Kinder.
    Der Familienvater geht in den Garten, läuft um das leere Schwimmbecken, starrt hinunter ins nasse Laub, hinauf in die kahlen Äste vor föhnigem Himmel, hinüber zum Haus, sieht die Seinen hinter den Scheiben, und stellt sich Hilde vor, Hilde in seinem Haus. Was würde sich ändern? Was würde sie ändern?
    Stephanie fuhr mit Alois zum Hotel, um die Schwiegerleute abzuholen. Der Familienvater saß auf seinem Bett, trieb die antiken Weihnachtsmanschettenknöpfe mit den ovalen blauen Steinen durch die gestärkten Aufschläge und freute sich des trefflichen Geschmacks seiner Frau. Dabei telefonierte er mit Hilde. Sie klang mäßig fröhlich.
    »Wir machen jetzt einen Spaziergang durch den Englischen Garten.«
    »Ich war auch schon im Garten. Es ist recht kalt.«
    »Was soll ich machen, Monika muß an die Luft.«
    Er wünschte ihr viel Vergnügen, bedauerte, nicht mitkommen zu können, und klang zufrieden.
    Als der Vater der Braut die Treppe herunterkommt, steht die Mutter der Braut schon in Bereitschaft.
    »Bist du auch so aufgeregt?« fragt sie.
    Er faßt sie am Arm, nickt.
    »Es ist doch gewissermaßen eine entscheidende Begegnung.« Wie Schulkinder stellen sie sich an dem kleinen Fenster neben der Haustür auf die Lauer.
    »Wie heißen die Leute: Steppke?« fragt er.
    Sie lacht.
    »Ich würde es mir an deiner Stelle aufschreiben!«
    Sie stehen nebeneinander, friedliche Eheleute, jeder weiß, was der andere denkt. Er fragt:
    »Meinst du Steffi hätte ihn auch — das klingt jetzt etwas merkwürdig — auch unter anderen Umständen geheiratet?«
    »Er
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