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Unter Brüdern (German Edition)

Unter Brüdern (German Edition)

Titel: Unter Brüdern (German Edition)
Autoren: Casey Kingsley
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    Wann Sie Ken kennen gelernt hatte?
    Diese Frage wurde ihr oft gestellt .
    M eistens dann, wenn sie ein anderes Pärchen trafen und den ersten höflichen Smalltalk hielten – was man nunmal tat, wenn man sich noch nicht so gut kannte. Sie konnte diese Frage auf den Tag genau beantworten: Sie war exakt fünf Jahre alt gewesen, als Ken ihr das Leben gerettet hatte.
     
    Aber wann sie Jake kennen lernte?
    Am Tag an dem Ken sie davor bewahrte von ihm und den anderen Jungs umgebracht zu werden?
    A n Kens 29. Geburtstag, der Tag, der so vieles für sie änderte?
    An einem der vielen Abende, die sie gemeinsam mit den anderen Jungs verbracht hatten, zum Beispiel beim Abendessen oder wenn sie einen Film ansahen  oder wenn sie im Garten am Feuer nebeneinander gesessen und sich angeschwiegen hatten?
    Oder bei einem seiner Übergriffe auf sie, bei denen er sie seinen Hass hatte spüren lassen?
    Nein, eigentlich kannte sie Jake noch immer nicht, obwohl er fast genau so viel Zeit an ihrer Seite verbracht hatte wie Ken.
    Sie hatte oft versucht ihn zu durchschauen, es nie geschafft.
    Sie hatte versucht ihn zu ignorieren und auch das nie geschafft.
     
    Und sie hatte alles, wirklich alles, dafür getan, dass er sie mochte und nie verstanden, warum sie der scheinbar einzige Mensch war, den er abgrundtief hasste.
    Was Jake anging… naja… das war ein Thema für sich.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    1
     
     
    Freitag, 14. Mai 2010
    Entlassung
    Megan 23, Ken 30, Jake 27
     
    „Jake kommt heute raus. Wir sollten ihn…empfangen.“ Ken räusperte sich. Er lief mit dem Hörer vom Wohnzimmer in die Küche und wieder zurück. Er schien aufgeregter als er zugeben wollte. Und er klang erbärmlich, in seinem Versuch seine Mutter zu überzeugen. Megan atmete genervt aus, jedoch so, dass Ken es nicht mitbekam, er war ohnehin nicht bester Laune heute.
     
    Sein Verhältnis zu Jake war in der Vergangenheit oft angespannt gewesen, vor allem jetzt im letzten Jahr. Ken hatte seinen Bruder nur dreimal im Gefängnis besucht und das, obwohl das große Backsteingebäude, umgeben von einem noch größeren Sicherheitszaun, nur eine dreiviertel Stunde entfernt lag von Megans Haus.
    Wenn man genauer darüber nachdachte, lag en die Spannungen der Brüder wohl an deren Eltern: von klein auf hatten sie Ken verhätschelt und ihn in den höchsten Tönen gelobt. Alles was er anrührte wurde in ihren Augen zu Gold und weil das bei Jake nicht ebenfalls immer der Fall gewesen war, hatten sie ihn entweder beschimpft oder ihn ignoriert, aber nie hatten sie ihrem jüngeren Sohn versucht zu helfen, ihn zu unterstützen und zu respektieren, dass er anders war als Ken, möglicherweise andere Stärken hatte, die man hätte fördern müssen. Und er hatte andere Stärken, das wusste sie. Er war so talentiert, nicht nur was seine Musik betraf.
    Jake hatte sich wohl irgendwann damit abgefunden und aufgehört ihm nachzueifern und zu versuchen in irgendetwas gut oder gar besser zu sein. Und aus Trotz, weil seine Eltern Ken bevorzugten, hatte er erst recht all das getan, von dem er wusste, dass es falsch war, hatte gegen alles rebelliert, von dem er wusste, es würde seine Eltern auf die Palme bringen.
    Besonders als er noch ein Teenager war. Alles was seine Eltern liebten, hasste er. Insbesondere Megan.
    Und dann, als der schleichende Übergang zum Erwachsensein stattgefunden hatte, war es bereits zu spät gewesen. Sein Charakter war bereits geformt bevor irgendjemand bemerkt hatte, dass man etwas hätte ändern können. Seine Eltern waren zu stolz um einen Fehler zuzugeben und Jake war zu stolz um selbst etwas zu ändern.
    So war er hin und wieder auf die schiefe Bahn geraten. Und so war er im Gefängnis gelandet.
     
    „Komm schon, Mom. Er war ein Jahr im Knast, können wir nicht wenigstens…“
    Er wurde am anderen Ende der Leitung von seiner Mutter unterbrochen.
    Megan sah seinem Gesicht selbst auf diese Entfernung an, dass er bereits aufgegeben hatte Jakes Mutter zu überreden, aber er hatte es gar nicht wirklich versucht.
    „Okay.“ Murmelte er. „Ja, ist ja schon gut. Ich sehe das eigentlich genauso.“
    Megan stand auf, ging auf ihn zu, nahm ihm den Hörer aus der Hand. Er sah sie genervt an. Nicht unbedingt ihretwegen, eher wegen Pattys Starrköpfigkeit. Oder vielleicht doch ihretwegen.
    „Hallo Patty, ich bin’s , Megan. Ich würde mich wirklich freuen, wenn ihr heute Abend kämt. Ich habe fest mit euch gerechnet, das Essen eingekauft
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