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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus
Autoren: Martha Grimes
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    S EIT ZWEI T AGEN suchte Una Quick ihren Hund Pepper.
    Immer, wenn jemand den Laden mit der Poststelle in Ashdown Dean betrat (wo Una seit fünfundvierzig Jahren Briefmarken und Waren aller Art feilhielt), stellte sie dieselben Fragen und zögerte die Ausgabe von Briefen, Konserven und halben Broten so lange hinaus, wie sie seine Aufmerksamkeit fesseln konnte. Mittlerweile kannten die Leute in Ashdown Peppers Gewohnheiten in- und auswendig. «Ist wahrscheinlich nur weggelaufen, oder jemand hat ihn mitgenommen. Und vergessen Sie das Labor nicht», fügte Sebastian Grimsdale hinzu, wie üblich äußerst zartfühlend. Während dieser zwei quälenden Tage würzte Sebastian das Thema mit Anspielungen auf Hunde- und Katzenfänger und versäumte nie, hier und da das Labor in Rumford zu erwähnen, wo sie, laut Mr. Grimsdale, alle möglichen gräßlichen Experimente machten. Wenn er Una Quick dann zum Weinen gebracht hatte, sagte er, sie solle sich keine Sorgen machen, und zog mit seiner Post und seiner Büchse Tomatensuppe von dannen. Letztere verlängerte er später für die Gäste im «Haus Diana» zu etwas, das kaum dicker als Wasser, aber beträchtlich dünner als Blut war. Blut war sein Metier: Sebastian Grimsdale war passionierter Jäger, als Master hatte er sogar seine eigene Meute. Nur ein einziges Mädchen für alles und den Aufseher für die Jagdhunde, Donaldson, hatte er in Lohn und Brot. Ein großartiger, typisch schottischer Pirschjäger. Grimsdale jagte lieber in Exmoor, dort war das Wild größer. Damit war’s aber erst mal bis zum Frühjahr vorbei, verflucht. Das versetzte ihn in noch schlechtere Laune, als er sie eh hatte. Nur der Gedanke an die Jagd in fünf Tagen heiterte ihn auf – auch wenn es natürlich etwas völlig anderes war, den Zwölfender zu stellen, statt den Fuchs zu jagen. Na ja, in der Zwischenzeit nahm er sein Gewehr mit zum Teich, mal sehn, was da vorüberflog …
     
    Wenn die arme Una Quick sich ans Herz griff – sie «hatte es am Herzen», wie sie ihren Zustand beschrieb –, stellten die meisten Bewohner Ashdowns weniger harsche, optimistischere Prognosen. «Pepper kommt zurück, Sie werden schon sehen, meine Liebe», sagte ihre Nachbarin Ida Dotrice. «Sie wissen doch, wie die sind. Eines Tages stehn sie einfach wieder vor der Tür, als ob nichts gewesen wäre …»
    Una war sich da nicht so sicher. Immerhin war Pepper schon zwei Tage weg.
    Die kleine Mrs. Ashley – ihr Baby saß in einer weißen Wolke aus Decken, in der das kleine Mondgesicht fast verschwand – tröstete Una und erzählte ihr die Geschichte von «den Hunden und der Katze, die Hunderte von Kilometern gelaufen sind und nach Hause gefunden haben». Mrs. Ashley keuchte leise, als hätte sie gerade selbst diese lange Reise hinter sich, und stopfte ein Glas Marmite und Brot in ihre Einkaufstasche. Und redete weiter über die Tiere: «… den ganzen Weg von Schottland bis hierher. Haben Sie das Buch nicht gelesen? Hatten Sie lesen müssen, eine Siamkatze war dabei, Sie wissen ja, wie klug die sind … Wieviel kriegen Sie? Es wird aber auch alles jeden Tag teurer. Und was allein schon Hundefutter kostet … Oh, Verzeihung, Miss Quick. Aber den Roman müssen Sie sich besorgen.» An den Titel konnte sie sich nicht mehr erinnern. «Jetzt regen Sie sich mal nicht so auf! Tschüs.»
    Durch Schottland pilgernde Siamkatzen konnten Una Quick herzlich wenig trösten. Mit jedem Schlag der Kirchturmglocke, die sie daran gemahnte, daß jeder, auch Pepper, vor seinen Schöpfer treten muß, wurde sie blasser. Der Pfarrer, ein winziger Mann, der herumzuhüpfen pflegte, als ob seine Schuhe gefedert waren, hatte Una mit seinen Ausführungen über das Jüngste Gericht auch nicht geholfen.
     
    Am dritten Tag fand sie Pepper. Der braungefleckte Hund lag steif wie ein Brett in dem kleinen Schuppen hinter ihrem Cottage, wo sie ihre Gartengeräte aufbewahrte, unter anderem auch das Unkrautvertilgungsmittel. Die Tür war, das wußte sie ganz genau, mit einem Riegel versperrt gewesen.
    Una brach zusammen. Ida Dotrice, die eigentlich nur zum Telefonieren gekommen war, fand sie und erweckte sie aus ihrer Ohnmacht. Am Tag von Peppers Beerdigung im Hinterhof von Arbor Cottage war die Post zum allerersten Mal nachmittags geschlossen. Una, ganz in Schwarz, wurde von Ida und ihrer anderen Nachbarin, Mrs. Thring, gestützt. Der Pfarrer hatte sich überreden lassen, an dem kleinen Grab zu predigen.
    Paul Fleming, Dorftierarzt und Mitarbeiter im
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