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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
Autoren: Mary Bauermeister
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es sicher eine geeignete Lebensweise gewesen. Er wollte ja nie eine Frau ganz loslassen, und die wiederholten Vorhaben, die eine oder andere davon zu heiraten, waren Versuche, die Frauen enger an sich zu binden. Durch Scheidung dagegen verlor er eine Frau nicht.
    Wenn ich heute von seinen Frauengeschichten erzähle, fällt mir auf, dass diese in unserer Beziehung in Wirklichkeit nicht so viel bedeuteten, wie es mir damals gelegentlich vorkam. Unser Bekennen zueinander, unser Erkennen aneinander, das wortlose Einstimmigsein war viel wichtiger. Unsere innigsten Momente der Begegnung waren körperlos, oft auch ohne die persönliche Gegenwart des anderen.
    Diese innige Verbundenheit, die selbst den Tod nicht als Grenze anerkennen will, formulierte ich bereits 1963 in einem Brief an Stockhausen, den er später in seinem Werk Momente verarbeitet hat:
    Alles um mich herum ist mir ganz nah und fern zugleich.
    Ich sehe deutlicher als bisher
    doch auch verschwommener.
    Jedes Außen ist mir fremd und doch ich selber,
    als entstünde alles erst in meinem Blick durch mich.
    Als wärst auch Du nur von mir geschaffen.
    Nur in meinen Augen gibt es Kama.
    Ich ging durch die Stadt, durch die Kirchen und spürte die Enge.
    Sie war nicht begrenzend,
    sie war nur enger als die Weite, die ich draußen empfinde, wenn die Dinge in mir
    um mich herum ins Unendliche wachsen.
    Alles ist enger oder weiter,
    langsamer oder schneller,
    doch es ist dasselbe
    von mir erfunden.
    Und dann gelingt es mir plötzlich, mich in die Dinge und Wesen hineinzufühlen.
    Es zieht mich immer dorthin, wo ich diese Kraft spüre, und dann erlebe ich plötzliches Austauschen mit Allem.
    Und immer, wenn sich diese Wunderwelt auflöst,
    immer dann treffe ich Maka und Kama,
    ruhig vereint, scheinbar tot.
    Ich erkenne auch mich wieder, indem ich Dich erkenne und finde zurück in eine mir unwirklich erscheinende Welt.
    Ich bewege mich ganz behutsam,
    denn schon ein harter Schritt könnte stören.
    Und fast spüre ich mein Gehen nicht mehr,
    gehe aus den Träumen in den Tag in mein Tun
    und wieder in die Nacht
    immer in Dir.
    Von Dir geleitet und behütet,
    Dich im Herzen und in den Augen,
    ein klein wenig entrückt und vielleicht
    schon ein wenig nicht mehr lebendig,
    doch nur so ein klein wenig,
    um mit Allem in Verbindung zu sein.
    Fände ich Dich draußen?
    Was bleibt?
    Der Momente -Chor endet mit einem Motiv aus dem Hohelied Salomos, das sich in der Musik einzulösen verspricht:
    »Führe, ja führe durch die Liebe zum Singen zum Ewigen, denn die Liebe ist stärker als der Tod.«
    Es hat mich aufgewühlt, das Erinnern. Wieso kann eine Liebe, die so stark ist, die so unerbittlich ihr Recht forderte und dabei alle Vernunft aus dem Sinn verlor, ein Ende finden? Beim Rätseln über diese Frage wurde mir klar, dass sie gar kein Ende hat. Die Entscheidung, das Zusammenleben zu beenden, bewirkte zwar eine Zäsur, bewirkte, dass ich mich in das eigene Ich zurückzog aus dem Verzehrenden der Gemeinsamkeit. Möglicherweise als Schutz gegen die totale Aufgabe an den anderen. Doch die Liebe bestand fort, ja, sie tut es über den Tod hinaus bis heute.

Dank
    Ich danke Elke Heidenreich, die mit mir das Abenteuer dieses Buchs gewagt hat, den Lektoren Linda Walz und Dominik Rößler und meinem Freund Jochen, der das Schlimmste verhindert hat.

Anhang
    Brief von Karlheinz Stockhausen
an Mary Bauermeister in Spiralform, Frühjahr 1961,
Abbildung 61
    … An allem vorbeigetragen werden von einem Zug ist nur dann für mich erträglich, wenn ich mich mit Dir verknüpfe über den räumlichen Abstand, der im Davonfahren immer größer wird zwischen Dir und mir und der unseren zeitlichen Abstand zusehends verringert bis ich 1 bin mit Dir und Deine Stimme in mir höre, denn ich will Dir alles schreiben ehe ich mit irgendeinem Menschen gesprochen habe und dieses Hotel verlasse, um meiner Arbeit nachzugehen und anderen Menschen dienen muß, denen ich von jetzt an nur in Tönen erzählen will, wie glücklich ich darüber bin, daß es Dich gibt und daß …
    … ich lese und von Zeit zu Zeit Dein Gesicht zwischen den Buchstaben entdecke, und so hatte ich kaum mein Büchlein von V. Weizäcker über Gestalt und Zeit zuende gelesen, als ich auch schon angekommen war, und dachte, …
    … Wie dies herzliche Gebilde durch Zufall entstanden ist, erinnert es mich an mein eigenes, das auf einer Seite etwas schwerer geworden ist Deiner fraulichen Formen wegen, schwerer und nachgiebiger, weiträumiger wie
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