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Ich habe die Unschuld kotzen sehen

Titel: Ich habe die Unschuld kotzen sehen
Autoren: Dirk Bernemann
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deren Anblick mich euphorisch elektrisiert und zu weiteren Schlägen auffordert.
     
    Ich zolle ihr Tribut, unserer abgestandenen Zeit der Unfähigkeit zu lieben und meiner Unfähigkeit weg zulaufen.
    In weitere Gefilde.
    Gedankengebilde.
     
    Ich verlasse ihren regungs, gesichts und ausdruckslosen Körper. Stelle mich über sie. Ein Lächeln für sie, da liegend in ihrer ganzen vollkommenen, ver kommenen Sinnlichkeit. Beuge mich noch mal über sie herab.
    Verabschiede mich mit einem Kuss auf den Bereich ihres Gesichtes, den man früher Wange nannte. Sie ist so süß, auch jetzt mit substanzlosem Schädel und ohne diese Geilheit in ihren Augen.
    Die Schlampe hat sich verkalkuliert.
     
    Ich gehe in den Garten und begrüße den neuen Tag.
    Und ich vermute, es ist ein verfickter Sonntag.
     
     
     
    Polizei
     
     
    Ich. Bin. Ein Deutscher. Polizist.
    Gesetzbuch im Schädel. Respektlos im Umgang mit Abschaum. Zu kunftsorientiert. Nur so kannst du deinen Job gut machen.
    Das tue ich.
    Ich mache meine Arbeit brilliant.
      
    Zunächst fahre ich heute die Bürokratenschiene, Posteingang und -ausgang. Krieche meinem Vorgesetzten in den Arsch, diskriminiere die niedrigeren Dienst grade. So ist das System. In diesem Land. In meinem Kopf.  
    Korrekt.
    Ich bin ein guter Polizist. Irgendwo ...
     
    ... ein Mord.
    Ich und mein unfähiges KackTeam werden mit dessen Aufklärung beauftragt. Überfliege die Akte. Berichtet von einem Opfer, jung, weiblich, aufgefunden voll mit illegalen Substanzen, aber ohne Gesicht. Kein Gesicht, keine Identität. Erschlagen.
    Wahrscheinlich mit bloßen Händen zu Tode geprügelt.
     
    Diskutiere mit Kollegen drüber. Einfühlsame Arsch löcher, zumindest einige in meinem Team. Meint doch tatsächlich einer, so ’n Kriminalstudentenpisser, ihm tue das Opfer Leid. Von wegen so böse zugerichtet und so ’n Scheiß.  
    Ich hab dazu nix gesagt, hab nur versucht neutral zu schauen. Beruf verfehlt.
    Ich habe bereits einem Menschen ins Gesicht geschossen und bin stolz darauf. Du weißt nie, wer vor dir steht und was bei dem und in dessen Dunstkreis abgeht.
    Der völlige Freak kann sich harmlos tarnen und hinter meinem Rücken oder unter sei nem Autositz mit Waffen hantieren. Jeder kann ein Freak mit ‘ner Knarre sein.
    Ich bin einer. Polizist.
    Raus.
     
    Auf die Straße. In die Stadt. Ich befehle es mir.
    Ich folge meinem Befehl. Es ist wie früher, als mein Vater mir Befehle erteilte, nur jetzt bin ich mein Vater und ich in einer Person.
    Ohne Ausweg.
     
    Wir starten die verfickten Ermittlungen. Ergründen das Umfeld. Wedeln mit unseren Ausweisen wichtig und seriös vor Angehörigen und Freunden der Leiche rum.  
    Ich erlebe wieder mal einige Zusammen brüche von irgendwelchen bedeutungslosen Menschen. Die sind ja noch viel emotionaler drauf als meine sozialverseuchten Kollegen. So ist das Leben, ihr Penner.  
    Wahrscheinlich wollte die Schlam pe ihr Dichtmachzeugs nicht teilen und ist von irgend so ‘ nem durchgefreakten AssiPenner plattgemacht wor den. So ist es doch oft. Der eine hat, was der andere will und es gibt Stress.  
    Gibt’s ‘nen Freak dabei, gibt’s ‘ ne Leiche. Noch Fragen? Ich nicht. Angehörige heu len. Freunde auch.
    Ich verstehe die Leute nicht.
    Ich weine nie.
    Warum auch? Die Welt ist, wie sie ist. Und ich bin Realist.
    Polizist. Fertig.
    Tränen sind nichts für mich. Tränen entstellen Männer. Das ist eine der wenigen Weisheiten, die mir mein Vater mitteilte. Er hat nie mit meiner Mutter und mir ge weint, nur immer Gründe zum Weinen geschaffen.
    Er wohnt jetzt allein am anderen Ende der Stadt. Manchmal ist es mir ein Bedürfnis, ihn zu besuchen. Manchmal ist es mir ein Bedürfnis, ihn von einem Auftragsmörder besuchen zu lassen.
    Weiter im ungeklärten Fall verlieren sich die ungeklärten Gedanken wieder.
      
    Ich will den Täter.
    Den will ich, den Penner.
    Sei nen Körper. Kindheit und psychologische Gutachten? Drauf geschissen. Der Typ ist krank, deswegen will ich ihn haben.  
    Ihn ausmerzen.
    Geht mir nicht drum, das Opfer zu sühnen. Das ist egal. Für die war und ist es zu spät. Aber ich will diesen Typ aus der Ge sellschaft entfernen. Ausgliedern. Die Straße entkri minalisieren.
    Unkraut jäten. Ich habe keine guten Ideen für eine Revolution oder so was.
    Will nur störende Kräfte ausschalten.
     
    Ich stehe genau dazwischen. In der Schusslinie des Gebildes Gesellschaft und der unausgelebten Hem mungen von genau derselben Gesellschaft. Stehe da
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