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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Fleming
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Prolog

    Florenz, Anno Domini 1564
    Der dampfende Atem des Pferdes kräuselte sich nur kurz in der Luft, bevor die Februarkälte ihn aufsog. Sein Reiter hatte keinen Blick für die Schönheit der Stadt Florenz, wie sie tief im Schnee versunken vor ihm lag. Ein krampfhafter Husten schüttelte ihn, während er, den Kopf gesenkt, mit aller Kraft gegen das Sterben anritt. Er spuckte aus. Der Tod war von allen Erfindungen Gottes vielleicht die schlechteste.
    Auch gut anderthalb Jahrtausende nach der Geburt des Herrn, gelobt sei sein Name, war es kein unbeschwertes Vergnügen, sich allein über die Hauptstraße Italiens von Rom nach Florenz zu begeben. Es grenzte an ein Wunder, dass ihm unterwegs niemand aufgelauert hatte außer ein paar Straßenjungen, die sich aus Übermut als Wegelagerer versuchten. Es hatte ihn nur einen kräftigen Fluch gekostet, sie zu verscheuchen.
    Wie eine Fliege auf einem weißen Bogen Papier zog der schwarz gekleidete Reiter auf dem Rappen seine Bahn durch die verschneite Landschaft vor der Stadt. Er hielt auf die mächtige Porta di San Pietro Gatolini zu, die ihm mit ihren hohen, wuchtigen Eichenholzflügeln vorkam wie ein riesiger Bär, der mit aufgerissenem Maul darauf wartete, alles zu verschlingen, was sich ihm näherte. Er zügelte das Pferd nur wenig und ritt gerade so langsam, wie es nötig war, um zwischen den Bauern und ihren Karren, die sich vor dem Stadttor drängten, hindurchzukommen. Die Torwachen, die sonst jeden Ankömmling zu schikanieren wussten, wagten nicht, ihn aufzuhalten. Sein grimmiger Blick ließ sie zurückschrecken und Gott weiß wohin schauen, nur nicht mehr zu ihm. Er nahm es kaum zur Kenntnis, sondern eilte weiter.
    Auf der Brücke über den Arno erfüllten die Tritte des Pferdes die eisige Luft mit einem dumpfen Stakkato. Der Reiter schüttelte sich, als ihm der scharf-süßliche Gestank von Urin in die Nase drang. Das Miasma ging von den Gerbern aus, die auf der Brücke ihre Häuschen errichtet hatten und die anrüchige Flüssigkeit in rauen Mengen zum Gerben verwandten. Vor einem der kleinen Häuser lud ein Mann graue Rinderhäute von einem Ochsenkarren, stolperte und fiel dem Rappen vor die Füße. Der Reiter konnte das Pferd gerade noch zur Seite reißen, bevor die Hufe den Mann trafen. Zum Dank rief der Gerber ihm lallend einen Schwall Verwünschungen nach. Am liebsten hätte er kehrtgemacht und dem Trunkenbold Manieren beigebracht, aber er durfte sich durch nichts aufhalten lassen. Messèr Daniele da Volterra hatte ihn beschworen, sich zu eilen – jede Minute zähle. Schließlich ging es um den bedeutendsten Künstler aller Zeiten.
    Vor dem Dom mit seiner gewaltigen Kuppel, die man auch das Wunder von Florenz nannte, hatten ein paar übermütige Bildhauerlehrlinge überlebensgroße Figuren aus Schnee geformt. Im trüben Licht des späten Winternachmittags stand da sogar eine Nachbildung von Michelangelos David. Der harmlose Anblick versetzte dem Reiter einen Stich ins Herz. War sein verehrter Meister noch am Leben?
    Als Ascanio Romano endlich den Borgo Santa Croce erreichte, fand er ihn menschenleer. Bei der eisigen Kälte verließ niemand das Haus, der es nicht unbedingt musste. Er atmete erleichtert auf, als ihm ein dickes Bündel aus schwarzem Stoff entgegentänzelte, das sich beim Näherkommen als Priester entpuppte.
    »Hochwürden, wisst Ihr, wo Messèr Giorgio Vasari wohnt?«
    »Dort vorn, mein Sohn«, sagte der Geistliche und wies mit seinem fleischigen Mittelfinger auf ein schmales Haus.
    Vom Pferd springen, das Tier an einen Eisenring binden und anklopfen waren eins. Ein Diener öffnete die Tür und starrte den Besucher mit offenem Mund an.
    »Bring mich sofort zu Messèr Vasari!«, rief Ascanio, vor Ungeduld barscher als beabsichtigt.
    Dazu machte der Diener allerdings keine Anstalten, sondern musterte den Besucher, der etwas heruntergekommen aussah, mit hochgezogenen Augenbrauen. Die beiden Tage im Sattel hatten ihre Spuren hinterlassen.
    »Wen darf ich denn melden?«, fragte er.
    Wut stieg in Ascanio hoch. Er hatte sich doch nicht die Seele aus dem Leib gehetzt, nur damit ein Diener jetzt sein Spielchen mit ihm trieb! Es gab ein hohles Geräusch, als er derb mit der Faust die Tür aufstieß und das massive Blatt gegen den Kopf des Dieners schlug.
    Aus dem piano nobile drangen heiteres Lautenspiel und die vergnügten Stimmen von Menschen, die sich prächtig unterhielten. Ascanio stürmte die Treppe hinauf, bog in einen Flur und fand sich gleich
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