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Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit

Titel: Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
Autoren: Kathryn Smith
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Kapitel 1
    In der Fagaras-Gebirgsregion, 1899
     
     
    Die rotierende Goldmünze näherte sich Marika Korzhas Füßen. Statt danach zu greifen, bewegte ihre Hand sich zu dem Dolch an ihrem Oberschenkel.
    »Sie …«, sie überlegte, welches das richtige Wort auf Englisch war, »…
beleidigen
mich.«
    Der Mann lächelte selbstgefällig und kniff die Augen ein wenig zusammen. Seine Haltung verriet ihr, dass er sich sicher fühlte, solange seine Männer ihm zur Seite standen und ihm den Rücken freihielten. Überhaupt glaubte er sich wohl im Vorteil, da sie eine einzelne Frau in einer Taverne voller Männer war.
    In diesem Punkt irrte er sich.
    Sie war keineswegs allein. Ihre eigenen Männer warteten an einem der Tische. Sobald sie das Signal geben würde, kämen sie herbeigeeilt. Und noch ehe sie bei ihr wären, hätte sie mindestens drei von seinen Leuten getötet.
    »Sie fühlen sich durch Gold beleidigt?«, fragte der Mann ein wenig hämisch.
    Marika erachtete diese Frage keiner Antwort für würdig, sondern beobachtete ihn nur. Er wusste sehr wohl, was daran eine Beleidigung gewesen war.
    Doch nun warf er seinen Gefährten ein arrogantes Grinsen zu, bevor er sich wieder ihr zuwandte. »Wollen Sie es nicht aufheben?«
    Diesmal kam ihre Entgegnung schneller, da sie sich wieder an ihr Englisch erinnerte. »Was aufheben?«
    »Das Gold zu Ihren Füßen.«
    Marikas Blick wich keine Sekunde von ihm, während sie mit der rechten Stiefelspitze die Münze auffing und sie dem Mann entgegenschoss. Das Goldstück prallte an seinem lederverhüllten Schienbein ab, allerdings mit solcher Wucht, dass er die Augen weit aufriss. »Vielleicht sollten Sie es aufheben.«
    Nun wirkte er schon weniger selbstzufrieden. »Dann ziehe ich diese Münze von Ihrem Lohn ab.«
    »Lohn?« Sie zuckte lässig mit den Schultern, so dass die Wolle ihres Kragens über ihre Wange strich. »Wie kann ich für etwas entlohnt werden, das ich noch nicht zu leisten zusicherte?«
    Der Mann trat auf sie zu – nur einen Schritt. Einige der Gäste in der Taverne beobachteten sie höchst interessiert, wohingegen andere es für klüger hielten, sich um ihre eige nen Angelegenheiten zu kümmern. »Wir hatten eine Übereinkunft.«
    Sie streckte Schultern und Rücken durch. Auch wenn er größer war als sie, bedeutete das noch lange nicht, dass sie sich von ihm kleinmachen ließ. Sie hatte weder Angst vorihm noch vor seinem Geld oder seinen Männern. »Ich kam mit Ihnen überein, Sie zu treffen. Ich stimmte sogar zu, Sie anzuhören, und eventuell erkläre ich mich bereit, für Sie zu arbeiten. Bisher jedoch haben Sie nichts getan, was mich überzeugen könnte, auf Ihr Angebot einzugehen.«
    Wieder sah er sie mit diesen schlitzartigen Augen an. »Ziemlich vorlaut für eine Frau, finden Sie nicht?«
    Marika war nicht ganz sicher, was »vorlaut« heißen sollte, aber seinem Gesichtsausdruck nach war es kein Kompliment.
    Sie neigte den Kopf und sah ihn mit einem geschult unlesbaren Ausdruck an. »Wäre ich ein Mann, würden Sie nicht mit mir reden, als wäre ich ein Idiot.«
    Konnte er gar keine andere Miene feilbieten außer einer selbstgefälligen? »Aber Sie sind kein Mann.«
    Nein, war sie nicht. Es brauchte mehr als Hosen und Stiefel, um ihr Geschlecht zu verbergen. Ihr Haar war zu lang, zu dick und musste in einem geflochtenen Zopf auf ihrem Rücken gebändigt werden. Ihre Haut war zu blass und zu glatt, ihre Züge waren zu zart. Aber sie wollte ja auch gar kein Mann sein. Nein, ihr Äußeres war viel zu vorteilhaft.
    Und um wie viel schöner war es, mit anzusehen, wie ihre Gegner sich übertölpelt fühlten, wenn sie erkannten, dass sie sie maßlos unterschätzt hatten!
    »Ebenso wenig bin ich ein Idiot. Sie stellen meine Geduld auf die Probe. Dieses Treffen ist beendet.« Sie drehte ihm demonstrativ den Rücken zu. Würde er auf sie schießen? Könnte er sie töten, oder würden ihre Männer ein weiteres Mal staunen, wie schnell sie sich von Wunden erholte, die für Normalsterbliche fatal wären?
    Inmitten des allgemeinen Stimmengewirrs und grölenden Gelächters, das in der Taverne herrschte, vernahm sie den Schritt hinter sich – oder vielmehr das Schaben eines Stiefels auf dem Boden. Zudem fühlte sie eine leichte Luftbewegung, die sie vor nahender Gefahr warnte. Ihre Nackenhaare sträubten sich.
    Nicht zum ersten Mal griff ein Mann sie hinterrücks an. Sie kannte es schon, dass Männer gern warteten, bis sie ihnen den Rücken zukehrte. Auch wenn sie sich
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