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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Fleming
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wenn man bei kaltem und nassem Wetter weite Strecken ritt.
    »Möchtet Ihr etwas essen, etwas trinken?« Er bot ihr einen Stuhl an. Sie schüttelte den Kopf und setzte sich.
    »Ich bin Euch eine Erklärung schuldig. Erzählt es niemandem, Messèr Giorgio.« Und dann berichtete Isabella, während er in ihre Augen eintauchte wie in den Tod. Ihr Großvater war Antonio da Sangallo, der Lucrezia geheiratet hatte. Bartolomeo da Sangallo hieß ihr Vater, zu ihrem Paten aber wurde der Kardinal Carafa. Sie begann, für die Inquisition zu arbeiten. »Gib mir das ›Buch der Baumeister‹. Du wirst einsehen, dass es vernichtet werden muss, so wie alle Erinnerungen an die Fedeli d’Amore auszulöschen ist, für jetzt und alle Zeit.«
    Vasari reichte ihr das Buch. Wie hätte ein alter Mann wie er sich wehren können, ohne das Augenmerk der Inquisition auf sich und seine Frau zu lenken? Isabella steckte das Buch in eine Ledertasche und verließ ihn.
    Giorgio Vasari saß da wie gelähmt. Ihm war, als ströme alle Lebenskraft aus ihm heraus. Sein Trost und seine Freude war die Gewissheit, dass die Geschichte der Fedeli überleben würde, in dem Manuskript, das in seinem Stehpult lag und von dem Isabella nichts wusste. Die nächsten Tage schlief er lange, ging spazieren, las, unterhielt sich mit Cosina, mied aber die Arbeit. Sieben Tage später überkamen ihn Übelkeit und Schwindelgefühle. Er musste sich abstützen, um nicht zu stürzen. Gegen Mittag legte er sich zu Bett. Cosina wollte den Arzt rufen, doch er winkte ab. »Niemand kann das Leben halten«, sagte er, dann schloss er die Augen. »Hol einen Priester!«
    Cosina schickte nach Vincenzo Borghini. Nachdem ihm der alte Freund die Beichte abgenommen hatte, erteilte er ihm die Sterbesakramente.
    In seinen letzten Stunden dachte Vasari an Michelangelo. Bald würde er ihm gegenübertreten und eingestehen müssen, dass es auch ihm nicht gelungen war, den Dom, geschweige denn die Kuppel fertigzustellen. Nach seiner tiefen Überzeugung würde er in den Himmel gelangen, dorthin, wo Michelangelo und Raffael bereits waren. Bei Bramante und Leonardo war er sich nicht so ganz sicher.
    Am 27. Juni 1574 starb an Entkräftung der Maler und Architekt Giorgio Vasari. Es heißt, er habe gelächelt.

Epilog

    Im Mai 1590, sechzehn Jahre nach dem Tod Vasaris, setzte sein Nachfolger Giacomo della Porta den Schlussstein für die Kuppel des Himmels. Allerdings ohne das Oculus. Niemand verstand mehr Michelangelos eigenartige Idee, die Kuppel in einem großen Lichtloch wie die Speichen eines Rades in der Leere der Nabe zusammenlaufen zu lassen. Die Ideen des Göttlichen über die Lichtführung, über Gottes direkte Schau auf sein Volk im Dom begriff ohnehin niemand mehr. Längst hatten die Baumeister die Gedanken von Dante und Ficino, Pico und Landino vergessen, auch Leonardo, auch Bramante und auch Michelangelo.
    Schließlich behaupteten sich die Gegner des Zentralbaus gegen Bramantes und Michelangelos Pläne. Unter Papst Paul VI. wurde der Architekt Carlo Maderno angewiesen, vor dem Zentralbau einen Langbau zu errichten. Im Jahre 1612 wurde schließlich die Fassade des Langhauses vollendet, das man dem Zentralbau voranstellte. Die Kuppel des Himmels aber wurde von der neuen Basilika des Petrus in Gefangenschaft genommen.
    Ob der Bildhauer und Architekt Gianlorenzo Bernini den Fedeli d’Amore angehörte, ob der Bund zu dem Zeitpunkt, als er den Petersplatz mit den antiken Säulenreihen, den Kolonnaden, der Welt öffnete, noch existierte oder mit ihrem letzten bekannten Prior Giordano Bruno im Jahre 1600 verbrannt worden war, lässt sich indes nicht mehr klären.

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Über den Autor

    Sebastian Fleming studierte Germanistik und Geschichte. Er schrieb für das Theater, den Rundfunk, das Fernsehen und Bücher zu historischen Themen. In der Verlagsgruppe Lübbe ist von ihm erschienen Arminius .
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